Afrikas
Schriftsteller organisieren sich
(Auszug)
© Gerd Meuer
(...)
»Seit zwei Jahren
hat der Bohemien Soyinka, der von ideologischen
Scheuklappenträgern als Individualist abgetan
wird, (zudem) eine Funktion, die ihn gerade dazu verpflichtet,
auf dem gesamten afrikanischen Kontinent tätig zu werden:
Soyinka
ist Generalsekretär der Union of Writers of the African
Peoples, der Union der Schriftsteller der afrikanischen
Völker.
Schon
die Wahl des Namens deutet die Zielrichtung der Vereinigung
an: ihre Gründer wollten nicht irgendeinen Schriftsteller-Verband
gründen, sondern deutlich zu erkennen geben, daß sie sich
als Schriftsteller für die afrikanischen Völker
verstehen. Nun merken Kritiker immer wieder an, daß gerade
Leute wie Soyinka und seine Freunde dies wohl kaum sein könnten.
Und zur Begründung führen sie an, daß die Mitglieder fast
ausschließlich in den Sprachen der ehemaligen europäischen
Kolonialherren schreiben, in Sprachen, die von der Mehrheit
der afrikanischen Bevölkerungen gar nicht verstanden werden.
Die Kritiker merken weiter an, daß die in diesen Sprachen
gedruckte Literatur selbst die potentiellen Leser kaum erreichen
könne, weil ihre Bücher zu teuer seien. Schließlich und endlich
bleibe diese Literatur so lange elitär, so lange je nach Land
20 bis 95 Prozent der Bevölkerung Analphabeten seien. Wole
Soyinka ficht es nicht an: erklärtes Ziel aller afrikanischen
Regierungen ist es. In möglichst kurzer Zeit allen Bürgern
ihres Landes das Lesen und Schreiben beizubringen. Mit jedem
Prozent, den die Analphabetenrate abnimmt, wächst die Zahl
der potentiellen Leser. Soyinka gibt gerne zu, daß Bücher
in Afrika zu teuer sind, daß seine eigenen Bücher viel zu
teuer sind; Teil der von ihm und seinen Freunden geforderten
Erziehungs- und Kulturpolitik soll es deshalb sein, staatliche
Druckereien und Verlage zu schaffen, die billige Druckwerke
für die Massenlektüre auf den Markt werfen.
Und
zudem haben afrikanische Autoren, vor allem diejenigen, die
in Englisch schreiben, das Queen's English längst zu ihrer
eigenen Sprache gemacht, zu einer Sprache, mit der sie kreativ
machen, was sie wollen. Und die Kolonialherren werden
sich noch ganz schön wundern, was wir mit ihrer Sprache machen,
indem wir sie annehmen, auseinander nehmen und sie gegen sie
wenden, wie Soyinkas ugandischer Kollege Taban Lo Lyiong
bereits Jahre zuvor in einem respektlosen Gedicht geschrieben
hatte. Die Alternative, in einer afrikanischen Sprache zu
schreiben, wird zwar auch von einigen schreibenden Mitgliedern
des Volkes der Yoruba, dem Soyinka angehört, genutzt, und
Soyinka selbst hat gelegentlich selbst deren Werke aus dem
Yoruba ins Englische übersetzt, doch für ihn bleibt sein eigenes
Englisch das Medium par excellence. In ihm kann er nicht nur
pan-nigerianisch tätig sein sondern auch viele Millionen Afrikaner
in den anderen, von Europa balkanisierten Staaten Afrikas
und in der Welt erreichen.
Das
hindert ihn jedoch nicht, wie kürzlich beim 2. Weltfestival
der schwarzen und afrikanischen Künste Festac 1977 im
nigerianischen Lagos, die Annahme des ostafrikanischen Ki-Swahili
als kontinentale Sprache vorzuschlagen. Gegenüber seinen Kritikern,
die dies als einen Gag abtaten, konnte Soyinka immerhin darauf
verweisen, daß eine Vielzahl von Konferenzen, Kongressen und
Seminaren afrikanischer Schriftsteller, Kultusminister und
Afrikanisten seit dem Jahre 1959 just dies vorgeschlagen hatten.
Und in der Tat gibt es vielleicht mit Ausnahme des westafrikanischen
Hausa keine andere afrikanische Sprache, die in mehreren Staaten
gesprochen wird, dort bereits zur offiziellen Sprache erklärt
wurde, und sich zudem rasch als lingua franca für Menschen
unterschiedlicher Sprachen ausdehnt.
Soyinka,
der weiter in Englisch schreiben wird, hat es als Generalsekretär
der Union der Schriftsteller immerhin erreicht, daß diese
Union sich die Übersetzung der Werke ihrer Mitglieder ins
Ki-Swahili als oberstes Ziel gesetzt hat. Es ist in der Tat
die erste Union ihrer Art, denn bislang gab es auf dem Kontinent
nur Schriftstellervereinigungen, die den linguistischen Abgrenzungen
zwischen Frankophonie und Anglophonie entsprachen. Die Union
der Schriftsteller der afrikanischen Völker versteht
sich als eine Union von ausschließlich schwarzen Schriftstellern,
der zur Zeit nur Autoren aus dem schwarzen Afrika angehören,
die aber später auch Autoren aus der Karibik aufnehmen möchte.
Soyinka begründet diese schwarze Exklusivität
damit, daß die kulturellen Probleme etwa der arabischen Autoren
doch ganz natürlich von einer anderen Art und Qualität
als die unseren sind.«
(...)