Literatur
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Last Update: 14.12.08
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Afrikas Schriftsteller organisieren sich

(Auszug)

© Gerd Meuer

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Seit zwei Jahren hat der ›Bohemien‹ Soyinka, der von ideologischen Scheuklappenträgern als ›Individualist‹ abgetan wird, (zudem) eine Funktion, die ihn gerade dazu verpflichtet, auf dem gesamten afrikanischen Kontinent tätig zu werden: Soyinka ist Generalsekretär der ›Union of Writers of the African Peoples‹, der ›Union der Schriftsteller der afrikanischen Völker‹.

Schon die Wahl des Namens deutet die Zielrichtung der Vereinigung an: ihre Gründer wollten nicht irgendeinen Schriftsteller-Verband gründen, sondern deutlich zu erkennen geben, daß sie sich als Schriftsteller ›für‹ die afrikanischen Völker verstehen. Nun merken Kritiker immer wieder an, daß gerade Leute wie Soyinka und seine Freunde dies wohl kaum sein könnten. Und zur Begründung führen sie an, daß die Mitglieder fast ausschließlich in den Sprachen der ehemaligen europäischen Kolonialherren schreiben, in Sprachen, die von der Mehrheit der afrikanischen Bevölkerungen gar nicht verstanden werden. Die Kritiker merken weiter an, daß die in diesen Sprachen gedruckte Literatur selbst die potentiellen Leser kaum erreichen könne, weil ihre Bücher zu teuer seien. Schließlich und endlich bleibe diese Literatur so lange elitär, so lange je nach Land 20 bis 95 Prozent der Bevölkerung Analphabeten seien. Wole Soyinka ficht es nicht an: erklärtes Ziel aller afrikanischen Regierungen ist es. In möglichst kurzer Zeit allen Bürgern ihres Landes das Lesen und Schreiben beizubringen. Mit jedem Prozent, den die Analphabetenrate abnimmt, wächst die Zahl der potentiellen Leser. Soyinka gibt gerne zu, daß Bücher in Afrika zu teuer sind, daß seine eigenen Bücher viel zu teuer sind; Teil der von ihm und seinen Freunden geforderten Erziehungs- und Kulturpolitik soll es deshalb sein, staatliche Druckereien und Verlage zu schaffen, die billige Druckwerke für die Massenlektüre auf den Markt werfen.

Und zudem haben afrikanische Autoren, vor allem diejenigen, die in Englisch schreiben, das Queen's English längst zu ihrer eigenen Sprache gemacht, zu einer Sprache, mit der sie kreativ machen, was sie wollen. ›Und die Kolonialherren werden sich noch ganz schön wundern, was wir mit ihrer Sprache machen, indem wir sie annehmen, auseinander nehmen und sie gegen sie wenden‹, wie Soyinkas ugandischer Kollege Taban Lo Lyiong bereits Jahre zuvor in einem respektlosen Gedicht geschrieben hatte. Die Alternative, in einer afrikanischen Sprache zu schreiben, wird zwar auch von einigen schreibenden Mitgliedern des Volkes der Yoruba, dem Soyinka angehört, genutzt, und Soyinka selbst hat gelegentlich selbst deren Werke aus dem Yoruba ins Englische übersetzt, doch für ihn bleibt sein eigenes Englisch das Medium par excellence. In ihm kann er nicht nur pan-nigerianisch tätig sein sondern auch viele Millionen Afrikaner in den anderen, von Europa balkanisierten Staaten Afrikas und in der Welt erreichen.

Das hindert ihn jedoch nicht, wie kürzlich beim 2. ›Weltfestival der schwarzen und afrikanischen Künste‹ Festac 1977 im nigerianischen Lagos, die Annahme des ostafrikanischen Ki-Swahili als kontinentale Sprache vorzuschlagen. Gegenüber seinen Kritikern, die dies als einen Gag abtaten, konnte Soyinka immerhin darauf verweisen, daß eine Vielzahl von Konferenzen, Kongressen und Seminaren afrikanischer Schriftsteller, Kultusminister und Afrikanisten seit dem Jahre 1959 just dies vorgeschlagen hatten. Und in der Tat gibt es vielleicht mit Ausnahme des westafrikanischen Hausa keine andere afrikanische Sprache, die in mehreren Staaten gesprochen wird, dort bereits zur offiziellen Sprache erklärt wurde, und sich zudem rasch als lingua franca für Menschen unterschiedlicher Sprachen ausdehnt.

Soyinka, der weiter in Englisch schreiben wird, hat es als Generalsekretär der Union der Schriftsteller immerhin erreicht, daß diese Union sich die Übersetzung der Werke ihrer Mitglieder ins Ki-Swahili als oberstes Ziel gesetzt hat. Es ist in der Tat die erste Union ihrer Art, denn bislang gab es auf dem Kontinent nur Schriftstellervereinigungen, die den linguistischen Abgrenzungen zwischen Frankophonie und Anglophonie entsprachen. Die ›Union der Schriftsteller der afrikanischen Völker‹ versteht sich als eine Union von ausschließlich schwarzen Schriftstellern, der zur Zeit nur Autoren aus dem schwarzen Afrika angehören, die aber später auch Autoren aus der Karibik aufnehmen möchte. Soyinka begründet diese ›schwarze Exklusivität‹ damit, daß die kulturellen Probleme etwa der arabischen Autoren doch ganz natürlich ›von einer anderen Art und Qualität als die unseren sind.‹«

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LINKS:
Gerd Meuer Archiv

The story of the Non-launch... of "Journeys around and with Kongi - Half a century on the road with Wole SOYINKA"

Die ›penkelemes years‹ in Ibadan von Gerd Meuer
ANMERKUNG:

Die Marabout-Seite bedankt sich an dieser Stelle ausdrücklich bei Gerd Meuer für die Bereitstellung seines Textes.

Portraits nigerianischer Autoren auf der Marabout-Seite
zumPortrait Wole Soyinka
zumPortrait Chinua Achebe
zumPortrait Chimamanda Ngozi Adichie
zumPortrait Buchi Emecheta
zumPortrait Helon Habila
zumPortrait Ben Okri
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