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Jacobsen Rezension Bad Cop
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Rezension: → Mike Nicol - Bad Cop

Vier Kugeln, um zu vergessen

Mike Nicol schreibt mit Bad Cop seinen bisher besten Thriller über das neue Südafrika und seine alten Probleme

Von Dietmar Jacobsen ©

Auch Südafrika verfügt über Surferparadiese. Und so kommt man sich fast wie im falschen Roman – nämlich einem von Don Winslow – vor, wenn man Mike Nicols neues Buch zu lesen beginnt. Denn dessen Held, Bartholomeu Pescado, genannt Fish, treibt sich auch lieber auf seinem Longboard herum – mit Freunden im Wasser paddelnd und auf die utimative Welle wartend – als ernsthaft seiner Arbeit als Privatdetektiv nachzugehen. Aber was heißt schon Arbeit? Die Zeiten sind nicht die günstigsten und wenn ihm nicht seine geschäftstüchtige Mutter, die in London risikofreudige Investoren für die südafrikanische Wirtschaft auftut, oder Vicki Kahn, Fishs attraktive Anwaltsfreundin, gelegentlich einen Auftrag zuschanzen würden, bräuchte er das Land gar nicht mehr zu betreten.

Doch so weit ist es noch nicht. Denn im neuen Südafrika, dem Südafrika gut zwei Jahrzehnte nach der Apartheid, gibt es für Leute, die sich offiziell der Verbrechensbekämpfung verschrieben haben – wobei sie inoffiziell nicht selten selbst kriminell sind – eigentlich mehr als genug zu tun. Die neuen Machthaber sind korrupt und auf ihren eigenen Vorteil aus, alte Seilschaften funktionieren weiterhin und nicht zuletzt existieren noch genug offene Rechnungen aus der Zeit vor 1994.

Um Abrechnung mit den Feinden von einst ging es in der so genannten „Rache – Trilogie“, mit der Mike Nichol international bekannt wurde. In Bad Cop nun scheint er dieses Thema auf den ersten Blick fortzuschreiben, denn der Roman spielt auf zwei verschiedenen Ebenen. Von 1977 bis 1999 zeigt er episodenartig das Treiben einer vierköpfigen Todesschwadron, die im Auftrag des weißen Regimes im In- und Ausland Oppositionelle zu liquidieren hatte und nach dem Apartheidende selbst ins Visier von Kräften gerät, die im Namen eines oder mehrerer der Opfer auf Rache aus zu sein scheinen. Die Gegenwartshandlung, in der es vordergründig um einen Millionendeal mit Rhinozeroshörnern geht, hat mit dieser alten Geschichte zunächst wenig zu tun. Am Ende freilich gelingt es Nicol, beide Erzählfäden raffiniert miteinander zu verknüpfen und das Ganze mit einem fulminanten Show-down zu krönen.

Vicki Kahn jedenfalls ist es – als aufstrebende Anwältin ein ganz anderer Typ als ihre eiskalte Berufskollegin Sheemina February aus der Rache-Trilogie –, die ihren Freund Fish mit einem der immer seltener werdenden Aufträge versorgt. Bei illegalen Autorennen, die die Söhne der neuen Elite nachts auf Kapstadts Straßen veranstalten, ist ein Zuschauer angefahren worden. Nun soll Pescado herausfinden, wer der Fahrer des Unglückswagens war, damit das Opfer und dessen Familie eine Entschädigung einklagen können. Allerdings ahnen weder die Anwältin noch ihr Freund, mit welchen Kräften sie sich einlassen. Denn der Vater des Fahrers ist Jacob Mkezi, Ex-Polizeipräsident, windiger Geschäftemacher und eiskalter Killer, wenn es darauf ankommt, seine Haut zu retten.

Bad Cop führt seine Leser erneut in ein Südafrika, in dem es schwer fällt, Gut und Böse, Recht und Unrecht voneinander zu trennen. Fish Pescado ist ein Detektiv, der einfachen Leuten wie den Eltern des überfahrenen Jungen auch unentgeltlich helfen will. Andererseits vertickt er Gras an eine Stammkundschaft, die sich hauptsächlich aus Uni-Professoren zusammensetzt. Vicki Kahn, deren Tante 1987 in Paris von der Todesschwadron ermordet wurde, muss als aufstrebende Anwältin einen Kompromiss nach dem anderen machen und sich mit zwielichtigen Gestalten einlassen, weil man sie wegen ihrer einstigen Spielsucht immer noch in der Hand hat. Den Autohändler Daro Attilane, Fishs besten Freund und Surfkumpel, bedrängt eine Vergangenheit, über die er mit niemandem sprechen kann, bis es schließlich zu spät dafür ist. Und so geht es weiter bis zu den Figuren, die nur in Nebenrollen am Rande des Romans auftauchen. Niemand ist wirklich sauber, jeder besitzt eine dunkle Seite, an der er angreifbar, erpressbar, zum gefügigen Werkzeug zu machen ist.

Dass bei dieser Konstellation am Ende nicht von einem Sieg der Gerechtigkeit und der sie vertretenden Kräfte ausgegangen werden kann, dürfte einleuchten. Zumal Recht und Gesetz ohnehin Güter darstellen, auf die wenig Verlass ist in einem Land, in dem die Menschenwürde jahrzehntelang mit Füßen getreten wurde. Eine neue Politik sorgt eben nicht von einem Tag auf den anderen auch für neue Umgangsformen zwischen den Menschen. Und so ist die beste Methode, eine ungeliebte Vergangenheit von sich abzustreifen, immer noch jene, die auch vor dem Systemwechsel am besten zu funktionieren schien: Liquidation derer, die zu viel wissen und mit diesem Wissen gefährlich werden könnten für die aktuellen Machthaber.

(Originaltitel: Of Cops & Robbers)

02/2015
Zunächst veröffentlicht auf Literaturkritik.de

Dr. Dietmar Jacobsen
ist freier Autor, Dozent und Literaturkritiker, Erfurt
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