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Rezension: → Yvonne Vera - Nehanda

Die Welt der Ahnen

Von Manfred Loimeier (©)

In dem südafrikanischen Land Simbabwe lebt nach wie vor die Legende von zwei Widerstandskämpfern gegen das Vordringen der Briten zum Ende des 19. Jahrhunderts hin. Der eine, Kaguvi, wurde von den Kolonialherren etwas früher verhaftet als die andere, die Nehanda heißt. Diese alte Frau, ein Medium, das mit den Ahnen ihres Volkes sprach, stellte sich selbst, nachdem die Engländer die Bergdörfer niederbrannten. Nehanda wurde gehängt, 1889, nach britischem Gesetz.

Nehanda wirkte im Bewusstsein der Simbabwer aber weiter, und noch die Unabhängigkeitskrieger in den siebziger Jahren bezogen sich auf Nehanda. Nun hat aber die Politik dieser Unabhängigkeitskrieger nicht das gebracht, was sich viele Simbabwer von der Unabhängigkeit erwarteten. Gerade die Frauen, betont die 37-jährige Schriftstellerin und Galeristin Yvonne Vera aus Bulawayo unermüdlich, sähen sich einer patriarchal-autoritären Gesellschaft ausgeliefert, die so ganz im Widerspruch steht zu dem ebenbürtigen Einsatz der Frauen aus Simbabwe etwa im Unabhängigkeitskrieg.

In ihrem ersten Roman Nehanda, der nun in deutscher Übersetzung erschien - ihr Roman Eine Frau ohne Namen und der Erzählband Seelen im Exil liegen bereits vor und im Frühjahr folgt das Buch Schmetterling in Flammen -, schildert Vera die Bedeutung der historischen Figur Nehanda und webt die Mythen und Legenden ein, die sich seither um Nehanda ranken. Nehanda ist ein bildreiches Werk, sehr dicht geschrieben, sehr konzentriert und präzise. Es ist kein dickes Buch, aber eines, das eine Fülle an Eindrücken hinterlässt und vor allem das Weltverständnis zu vermitteln sucht, das damals der europäischen Lebensauffassung gegenüberstand. Vera schreibt von der Beseeltheit der Landschaft, vom Bezug zu den Ahnen, von den Dorftraditionen und der Verblüffung über das fremdartige Denken der weißen Neuankömmlinge.

Nehanda ist auch kein Buch der Abrechnung oder der Verbitterung. Vera erinnert indes daran, dass es ein Leben vor der Kolonisierung gab, und damit nötigt sie den Lesern die Frage ab, wie dekolonisiert der Alltag in Simbabwe wohl heute sein mag. Die einstige Selbstbestimmung - das geht aus den Zeilen dieses Romans unmissverständlich hervor - ist noch lange nicht wieder selbstverständlich geworden. Genau so klar wird aber auch, dass diese anhaltende Unmündigkeit auf Kosten der heutigen senil-autokratischen Politiker geht, die trotz ihrer lauthals geäußerten Distanz zu den industrialisierten Ländern selbst noch - zum eigenen Vorteil - die neokolonialistischen Strukturen aufrecht erhalten.

Yvonne Vera: Nehanda. Aus dem Englischen von Maria von der Ahé und Kate Reiner. Coleba Verlag. 123 Seiten, broschiert.

(Originaltitel: Nehanda)

Für die Marabout-Seite übernommen 12/2003

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