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Alafenisch: Die Feuerprobe
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Rezension: Salim Alafenisch - Die Feuerprobe

Archaische Suche nach Wahrheit

"Die Geheimnisse der Feuerprobe sollten mich noch lange begleiten." Mit diesem Satz endet die autobiografische Erzählung Die Feuerprobe von Salim Alafenisch. Es folgt ein 14-seitiger "Nachtrag", in dem der Autor von seinen Recherchen zu dem Gewohnheitsrecht der Beduinen berichtet. Die Feuerprobe stamme ursprünglich aus dem subsaharischen Afrika, beispielsweise habe man in Kamerun Beschuldigte ein glühendes Beil aufnehmen und einige Schritte tragen lassen, um Schuld oder Unschuld zu bestimmen. Doch zurück zum vorliegenden Werk des 1948 in der Negev-Wüste geborenen Autors.

Hier besteht die Feuerprobe darin, dass der Beschuldigte dreimal seine Zunge über ein glühendes Stück Eisen zu führen habe und er dann als unschuldig gilt, wenn hinterher keinerlei Spuren, Bläschen etc. zu erkennen sind. Das Ritual aus dem Gewohnheitsrecht der Beduinen wurde allerdings nur zu besonders wichtigen Anlässen wiedererweckt. So geschehen in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Alafenisch erzählt von der Verwunderung ob der Tatsache, dass dieser Brauch überhaupt noch Anwendung fand, in die nicht nur er selbst als jugendlicher Mann, sondern auch ältere Stammesmitglieder verfielen. Was war geschehen?

Es ist eine unruhige Zeit im Süden Israels, in der Wüste Negev. Nach einem ersten Anschlag der Fatah im Jahr 1966 werden in der Nähe des Beduinenstammes, dem Alafenisch angehört, israelischeTruppen stationiert. Dadurch wird die Bewegungsfreiheit der Beduinen stark eingeschränkt.

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Eines Tages taucht ein Verantwortlicher des Nachbarschaftstammes auf und verlangt Rechenschaft vom Scheich des Alafenisch-Stammes. Sein Großneffe sei in der Nacht ganz in der Nähe ermordet haben. Ein Angehöriger seines Stammes müsse doch was gesehen haben. Nach tagelangem Befragen der Mitglieder des eigenen Stammes wird eine Zeugenschaft verneint. Auch findet ein professioneller neutraler Spurenleser keinerlei Spuren, die zum Alafenisch-Stamm führen. Trotzdem beharrt der Großonkel des Ermordeten darauf - und lässt sich auch durch andere hinzugezogene und neutrale Stammesfürsten nicht von seiner Extremforderung abbringen - die Feuerprobe einzusetzen, um herauszufinden, ob tatsächlich kein Mitglied des Alafenisch-Stammes Zeuge der Tat geworden sei. Des Weiteren habe der sich stellvertretend für den Stamm der Feuerprobe Unterziehende zu bezeugen, "dass, selbst wenn der Ermordete sein Sohn wäre, er nicht wüsste, wer die Täter seien." Entgegen den zu erwartenden Begleitumständen eines archaisch anmutendem Rituals werden neben dieser Formulierung alle anderen Eckdaten peinlich genau in Dokumenten fixiert.

Trotz der dürftigen Beweislage erklärt sich der beschuldigte Beduinenstamm - um der Ehre und der Ruhe willen - bereit zur Feuerprobe. Stellvertretend für den Stamm stellt sich Suleiman, der älteste Sohn des Scheichs zur Verfügung, der Bruder des Autors.

Da ein kompetenter Richter für die Abnahme der besagten Feuerprobe nur außerhalb der Grenzen zu finden ist, wird diese ausgesetzt, bis zum Jahr 1980. Und erst 40 Jahre nach dem Mord berichtet Alafenisch darüber. "Vielleicht erreichen Geschichten aus der Wüste ihre Reife auch erst nach einer Generation", schreibt Alafenisch in einleitenden Worten, "Brauchten Moses und sein Volk nicht auch vierzig Jahre, um sich in der Wüste Sinai zu läutern". Mag sein, interessanter erscheint jedoch eine, wenige Zeilen davor getätigte Äußerung: "Vermutlich nahm die Familiengeschichte Rücksicht auf ihre Akteure". Als schriebe sich die Geschichte selbst! Zwar berichtet Salim Alafenisch aus der Ich-Perspektive, stellt seine eigene Bedeutung jedoch weitestgehend zur Seite und konzentriert sich auf den vorliegenden Sachverhalt. Dementsprechend ist sein Stil sehr sachlich, auch Naturschönheiten fasst er in einfache Worte. Vielleicht steht dahinter die Absicht, dem Erzählten in dieser Weise mehr Authentizität zu verleihen, schließlich geht es um eine wahre Begebenheit. Bloß gelegentlich lässt der erst im Alter von 14 Jahren alphabetisierte Autor biografische Daten einfließen und nur an einer einzigen Stelle blitzt eigenes Interesse auf. Als sein Vater und weitere Stammesautoritäten vom israelischen Militärgouverneur für ein halbes Jahr in die Verbannung geschickt werden, fällt ihm die Aufgabe zu, arbeiten zu gehen, um Geld für die Sippe zu verdienen. Da befällt ihn die Angst, sein Ziel, die Erlangung des Abiturs, könnte gefährdet werden.

Eine weiteres Mittel, dem Erzählten Wahrhaftigkeit zu verleihen, sind die immer wieder eingestreuten Hinweise auf das Hören dreier verschiedener Radiosender, eines jordanischen, eines ägyptischen und eines israelischen, eine Angwohnheit des Scheichs. Erst die Bestätigung durch alle drei Sender verleiht einem
Ereignis, wie beispielsweise dem angeführten Fatah-Anschlag oder dem sog. Sechstagekrieg vom Juni 1967 Glaubwürdigkeit.

Trotz der großen Zeitspanne, die vom Anlass bis zur Durchführung der Feuerprobe vergeht, versteht es der Autor, den Spannungsbogen über den Ausgang jenes Rituals, das laut Abmachung bei negativem Ausgang immerhin zur Blutrache an vier Söhnen des beschuldigten Stammes führen würde, zu erhalten. Die liebevolle Beschreibung der Sorgen und Nöte der Mutter und des Vaters in seiner Verantwortung als Scheich sowie das stellenweise detaillierte Eingehen auf das Alltagsleben seines beduinischen Volkes empfindet der interessierte Leser nicht als Beiwerk, als unnötiges Abschweifen vom Thema, sondern als Bereicherung seines Verständnisses für eine fremde Kultur.

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Salim Alafenisch

Dazu trägt maßgeblich auch der Bericht im "Nachtrag" bei, in dem Salim Alafenisch von weiteren Feuerproben, die er bei zweien seiner Besuche beim Feuerprobenrichter in Ägypten, schließlich gar als Protokollant der Feuerprobe, miterlebte.

07/2012 © by Janko Kozmus
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