DIE MARABOUT-SEITE
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Chronik (1901–2020)

Zur Sozial- und Literaturgeschichte Afrikas * von innen und außen 

Jahreschroniken: 1996

Stand: 11.04.16

 

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2. Januar
1996
Im Alter von 72 Jahren stirbt die ghanaische Dramatikerin Efua Theodora Sutherland, geborene Morgue.
Nach Abschluss der Schulbildung in ihrer Heimat studierte sie in Cambridge und London und kehrte 1951 nach
Ghana zurück, wo sie sich dem experimentellen Theater zuwandte. Sie gründete Theatergruppen und Schreibwerkstätten und schrieb zahlreiche Stücke. In den 80er Jahren arbeitete sie als Beraterin für Jerry Rawlings, den neuen Präsidenten, der sich an die Macht geputscht hatte, um der Korruption im Lande Einhalt zu gebieten und leitete verschiedene sozialistische Reformen ein.
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3. März
1996
Publikation des Briefromans Zenzele. A Letter for My Daughter von J. Nozipo Maraire
In der New York Times stellt Penelope Lively den Briefroman
J. NOZIPO MARAIRE: ZENZELE. A LETTER FOR MY DAUGHTER bei amazon bestellen
J. Nozipo Maraire
Zenzele. A Letter...
Zenzele. A Letter for My Daughter der 1966 im rhodesischen Salisbury [heute:Harare/ → Simbabwe] geborenen J. Nozipo Maraire vor. In dem in New York veröffentlichten Roman schreibt eine simbabwische Mutter an ihre Tochter Zenzele, die in Harvard studiert. Sie erzählt ihr Leben und berichtet von den Umwälzungen der letzten 30 Jahre in Simbabwe und imgrunde vom gesamten Kontinent Afrika. Unter anderem erzählt die Mutter ihrer Tochter von deren Vater, einem politisch aktiven Anwalt und erinnert Zenzele, die Simbabwe nur als freies Land erlebt hat, an die vergangene Ära, einem dem Wesen nach traumatischen Erbe, das auch Verpflichtungen mit sich bringe. - Vgl. Tales Out of Africa by Penelope Lively, in: The New York Times v. 3.03.1996.
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27. März
1996

Aus Anlass des - 1963 eingeführten - Welttheatertages der UNESCO richtet der syrische Dramatiker Saadallah Wannous als erster arabischer Autor die Grußadresse an die Weltheatergemeinde.
In seiner Rede spricht er von einem "umfassenden Dialog zwischen Einzelpersonen sowie zwischen Nationen." Das Theater könne der Ausgangsort für einen solchen Dialog sein. Als "Pionier des modernen arabischen Theaters" übernahm er selbst "die Verteidigung des Theaters gegen die entwürdigenden Kräfte, die die moderne Kultur bedrohen". "Theater", sagte er, "ist nicht nur Ausdruck der Zivilgesellschaft, sondern auch eine notwendige Bedingung für ihre Errichtung und ihren Wachstum", weil es kein wahres Theater außerhalb der Zivilgesellschaft gebe so wie es keine Zivilgesellschaft gebe bei Abwesenheit von Demokratie und dem Respekt der Individualrechte. (Vgl. Sa'dallah Wannous: A Life in Theater v. Manal A. Swairjo, in: Al Jadid, Vol. 2, No. 8, Juni 1996, ÜEK: J.K.)

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Die tageszeitung berichtet aus Kenia, die dortige Regierung übe Zensur im Druckbereich über vielerlei Gesetze aus ...
"Für ein Land von Kenias Ruf ist das zwar keine besonders lange Liste. Aber man muß bedenken, daß in den letzten zehn Jahren systematisch versucht wurde, Kreativität zu ersticken. Viele Schriftsteller haben nach Verhaftungen und Verfolgungen das Land verlassen, unter anderen Ngugi wa Thiong'o, Abdilatif Abdalla, Ali Mazrui, Alamin Mazrui, Maina wa Kinyatti, Micere Mugo, Kimani Gecau, Ngugi wa Mirii und Atieno Odhiambo."
(Henry M. Chakava,
· taz)

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10. April
1996
Die Berliner Zeitung berichtet von wachsendem Druck auf Nigerias Regime. Während die Regierung die demokratische Fassade aufgibt, indem sie eigene Truppen ein Hotel in der nigerianischen Stadt Port Harcourt abriegeln lässt, so dass Vertretern der Bewegung für das Überleben des Ogoni-Volkes, die mit einer Menschenrechtsdelegation der UNO sprechen wollten, der Zutritt verweigert ist, formiert sich der Widerstand nach der Hinrichtung von Ken Saro-Wiwa und 8 anderen Oppositionellen neu:
13 demokratische Oppositionsgruppen Nigerias haben auf Parallel-Tagungen in Johannesburg und Oslo beschlossen, die "Vereinigte Demokratische Front Nigerias" (UDFN) als Dachorganisation zu gründen, Motor dieses Beschlusses ist der nigerianische Nobelpreisträger  Wole Soyinka, den die Berliner Zeitung mit folgenden Worten zitiert: "Wir haben keine Zeit mehr (...) Jeden Tag werden Regimegegner ins Gefängnis geworfen, werden Landsleute gefoltert, wird  Nigeria von den korrupten Herrschern ruiniert." Soyinka befürchtet, dass weitere inhaftierte Ogoni-Führer vor ein Sondertribunal gestellt und hingerichtet werden könnten und ermahnt die Welt endlich einzugreifen.
· (Berliner Zeitung)
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23. April
1996
"Welttag des Buches und des Urheberrechts" (seit 1995, als die UNESCO diesen Tag - Todestag von Cervantes und von Shakespeare - dazu erklärte.
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2. Mai
Im Alter von 74 Jahren stirbt in seiner Geburtstadt Haifa der palästinensische Schriftsteller Emil Habibi.
Seit den 1940er Jahren gehörte Habibi der KP an und war von 1953 bis 1972 als einer ihrer Führer Mitglied des israelischen Parlaments, der Knesset. Ein Leben lang trat er für die Koexistenz und den Ausgleich zwischen Juden und Arabern ein. Sowohl von den Palästinensern als auch von Israel wurde er als Autor geehrt: 1990 erhielt er den Al Quds Prize der PLO und 1992 den israelischen Staatspreis für Literatur (gemeinsam mit Avot Yeshurun).
Der 1972 erschienene Schelmenroman Al-Mutasha'el (dt: Der Peptimist. Basel 1992) ragt innerhalb seines Werks wie auch der arabischen Literatur insgesamt weit heraus. In der ägypt. Al Ahram wurde die Satire als "Vorbote des magischen Realismus" in der arabischen Literatur bezeichnet. Der Peptimist, der Protagonist Said, steht für die absurde Situation, in der sich Habibis palästinensischen Landsleute befinden, fremd im eigenen Land.
Weitere Titel:
Das Tal der Dschinnen (Basel 1993; Originaltitel: Iḥtīya)

Dämonenkind (Basel 1998, Originaltitel: Sarāyā Bint al-Gūl)
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16. Juni
1996

20. Jahrestag des Soweto-Aufstandes in Südafrika.
Die Schüler- und Studentenproteste in der Township Soweto (South-West-Town), einem Vorort von Johannesburg, richteten sich gegen die Absicht des Apartheidregimes, in den höheren Klassen in Afrikaans anstatt - wie gehabt - in Englisch unterrichten zu lassen. Der Aufstand wurde zum Symbol für den Kampf gegen die Apartheid schlechthin.

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23. Juni
1996
chrAbs Der in Syriens Hauptstadt Damaskus geborene  Rafik Schami wird 50 Jahre alt. Er schreibt in dt. Sprache. Zu seinen bekanntesten Büchern zählt der Roman Erzähler der Nacht.
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26. Juni
1996
Die im Norden von Ghana geborene Schriftstellerin engl. Sprache Amma Darko wird 40 Jahre alt. Ihren Erfolg als Autorin verdankt sie in erster Linie ihrem deutschen Publikum. Ihren Erstling, den Migrations-Roman Der verkaufte Traum (1991) hat sie mit Erfolg zunächst in Deutschland veröffentlicht, wo sie in den 80er Jahren als Asylbewerberin lebte.
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30. Juni
1996
  Die  algerische Schriftstellerin frz. Sprache Assia Djebar wird 60 Jahre alt.
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zeit
los
Arabische und afrikanische Sprüche und Weisheiten:

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15. Juli
1996
Driss Chraibi, der in Mazagan - heute Al-Jadida -, in  Marokko geborene marokk. Schriftsteller frz. Sprache wird 70 Jahre alt. - Internationale Anerkennung erlangte Chraibi mit seinem 1954 erschienenen ersten Roman Le passé simple. In Deutschland wurde er mit dem originellen Roman Die Zivilisation, Mutter! bekannt und erreichte große Popularität mit der Figur des Inspektor Ali, dem Protagonisten einer Krimiserie.
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27 Juli
1996
Aļcha Fofana zur malischen Frauenliteratur
In einem Interview wird Aļcha Fofana, die erste malische Autorin, die einen Roman (1994) veröffentlichte, von Irène Assiba d'Almeida nach dem Stand der malischen Frauenliteratur befragt. Ihre Antwort bildet den aktuellen Stand im Lande ab:

"Was Mali angeht, so ist sie sehr begrenzt. Man kann nicht sagen, dass es vor mir keine Frauen gab, die Literatur geschrieben hätten. Es gab Aoua Keļta, doch sie hat eine Autobiografie veröffentlicht. In ihr beschreibt sie ihre Erfahrungen als Hebamme. Wir haben eine weitere Frau, die geschrieben hat: Madame Ba Konaré, die Frau des Präsidenten der Republik Mali, unsere First Lady, wie wir sie nennen. Da sie Historikerin ist, beschäftigen sich ihre Schriften mit unserer Geschichte. Sie ist die Autorin von Da Mozon ou le pouvoir guerrier, sie schrieb auch Ségu. Das erinnert mich an Maryse Condé, die Ségou schrieb. Wir haben sie und wir haben auch eine neue Romanautorin mit Namen Bamakan Souko. Sie schrieb eine Kurzgeschichte, die einen Preis von Radio France Internationale erhielt. Ich habe gehört, dass es eine weitere gibt, die eine Kurzgeschichte in einer Erzählungssammlung veröffentlicht hat, die gerade herauskam. Sie ist die aktuellste. Vielleicht sind wir insgesamt vier, aber ich frage mich selbst: 'Wie viele mehr gibt es von uns im Schatten.' Autorinnen haben das Problem, einen Verleger zu finden, um ihr Werk zu veröffentlichen." (ÜEK: J.K.) - Vgl Aïcha Fofana: First Woman Novelist of Mali v.
Irène Assiba d'Almeida, in: Camel Tracks: Critical Perspectives on Sahelian Literaturs von Debra Boyd-Buggs und
Joyce Hope Scott (Hrsg.) Africa World Pr. Trenton, New Jersey, USA 2004. S.274
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August
1996
"Männer von Ansehen … "
Mit diesem Titel überschreibt das Autorenteam Akwete Sande, Patrick Mwanza und Angels Mtukulo aus Malawi seinen Kurzbericht für die kritische Zeitung New Internationalist. Präsident Bakili Muluzi von Malawi habe seinen Ruf aufs Spiel gesetzt, heißt es in dem Artikel, der sich auf die Nachrichtenagentur Gemini News Service bezieht, als er sein Portrait auf einen Geldschein drucken ließ. Muluzi hatte den Personenkult um den abgesetzten "Präsident(en) auf Lebenszeit" Hastings Kamuzu Banda verurteilt, der andere historische Persönlichkeiten in den Hintergrund drängte und die Leute glauben machte, "Banda sei der Anfang und das Ende der Geschichte des Landes". Das Kabinett habe nun beschlossen, Portraits von Banknoten zu verbannen, weil man davon ausgehe, dass viele von den geschätzten 7.7 Mio. Analphabeten im Lande glauben könnten, Banda sei immer noch an der Macht. Kritiker behaupteten, Muluzi sei in die Fallen des Amtes geraten und das Malawische Parlament habe beschlossen, dass die zukünftige Währung nicht mehr das Angesicht von lebenden Führern tragen werde.
· (New Internationalist, ÜEK: J.K.)
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15. August
1996
Lépold Sédar Senghor, senegalesischer Politiker, Philosoph und Schriftsteller wird 90 Jahre alt.
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22. August
1996
Die taz meldet sich aus London, wo der Literaturnobelpreisträger  Wole Soyinka sich im BBC-Fersehen zu Angriffen nigerianischer Geheimdienstler äußerte. Er selbst sei bereits zum Ziel der nigerianischen Militärdiktatur geworden. "Er
fürchte sich besonders vor Säureangriffen ins Gesicht. In  Nigeria werde dies häufig getan, um Oppositionelle zum Schweigen zu bringen. Ein früherer Agent bestätigte vor der Kamera, daß das Militär Mitglieder der Demokratiebewegung im Ausland verfolge. Die nigerianische Botschaft wies die Vorwürfe zurück."
·  (taz)
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11. September
1996
Im Alter von 63 Jahren verstirbt die politische Aktivistin und Schriftstellerin Latifa al-Zayyat.
In diesem Jahr wurden ihr zwei große literarische Ehrungen zuteil: Sie wurde für ihren Roman The Open Door mit der Nagib Machfus-Medaille ausgezeichnet und wenige Monate vor ihrem Tod mit dem ägyptischen Staatspreis für Literatur.
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2. Oktober
1996
In einem Artikel von Ortrun Egelkraut berichtet die Berliner Zeitung von Wole Soyinkas Theaterstück The Beatification of Aerea Boy (Die Seligsprechung des Area-Jungen), das am heutigen Tag im Berliner Podewil Deutschlandpremiere habe.
 Wole Soyinka verbinde in dem Stück, "traditionelle Mythen mit modernen Stilmitteln, hinterfragt kritisch alte und neue Götter, soziale und politische Konflikte". (...)
Mit einem Hinweis auf Wole Soyinkas politisches Engagement schließt der Bericht: Wole Soyinka versuche "unermüdlich" die westliche Welt zu Sanktionen gegen das Militärregime in seiner Heimat Nigeria zu bewegen.
·  (Berliner Zeitung)
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17. Oktober
1996
"Zensiert in Palästina"
Unter diesem Titel veröffentlicht THE NEW YORK REVIEW OF BOOKS einen Aufruf von zahlreichen
namhaften Schriftstellern an Jassir Arafat, das Verbot der Bücher des palästinensischen Essayisten und Kritikers Edward W. Said zurückzunehmen.   mehr dazu · (THE NEW YORK REVIEW OF BOOKS, ÜEK: J.K.)
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Dezember
1996
In der äquatorialguineischen Hafenstadt Bata stirbt 67-jährig der einheimische Schriftsteller Leoncio Evita Enoy. Er hatte mit Cuando los combes luchaban - Novela de costumbres de la Guinea Española (Als die Combé kämpften - Roman über die Bräuche von Äquatorialguinea) 1953 den ersten Roman des Landes veröffentlicht.
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5. Dezember
1996
Lewis Nkosi, südafrikan. Journalist und Schriftsteller engl. Sprache, wird 60 Jahre alt.
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24. Dezember
1996
  Die südafrikanische Wochenzeitung Mail & Guardian startete gegen Ende des Jahres unter südafrikanischen Autoren eine Umfrage nach ihrem persönlichen Buch des Jahres 1996.
 Nadine Gordimer beispielsweise wählt  Nagib Machfus' Echoes of an Autobiography ...
 
mehr dazu · (Mail & Guardian, Südafrika, ÜEK: J.K.)
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Anmerkungen:
* inkl. arabischer Raum
ÜEK: J.K. --> Aus dem Englischen Übersetzt und kommentiert: Janko Kozmus ©
ÜEK: J.K. --> Aus dem Englischen übersetzt u. kommentiert v. Janko Kozmus ©
ÜFK: J.K. --> Aus dem Französischen übersetzt und kommentiert: Janko Kozmus ©

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Quellen:

.. .. Sach- und Personenregister
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