DIE MARABOUT-SEITE
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Sozial- und Literaturgeschichte:
Tunesien

Stand: 27.01.19


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27. Mai
1332
In Tunis wird der spätere maghrebinisch-arabische Gelehrte Ibn Chaldun Abd Ar Rahman geboren; er entstammt einer adligen arabischen Familie aus dem spanischen Sevilla, Andalusien.
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1860
Erscheinen der avantgardistischen Zeitschrift Ar-Raid at Tunusi (Der tunesische Avantgardist).
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13. Januar
1875
Gründung des ersten modernen Gymnasiums Tunesiens
Per Dekret des Paschas Khereddine wird das erste moderne Gymnasium des Landes gegründet. Ziel ist die Heranbildung einer zweisprachigen Elite, was mit der Rekrutierung ehemaliger Schüler der Zitouna - der Hochschule für Scholastik und islamische Theologie -, beabsichtigt wird. Die Gesamtzahl beläuft sich zunächst auf insgesamt 150, davon 30 interne Schüler.
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1899
Der künftige Schriftsteller Tahar Haddad wird in der Stadt geboren, die seit dem 12. Jahrhundert ununterbrochen die Landeshauptstadt darstellt, in Tunis.
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Februar
1909
Der spätere Dichter Abul Kacem Chebbi (auch: Aboul-Qacem Echebbi) wird am Rande der Sahara, im südtunesischen Touzeur geboren.
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28. Januar
1911
In Tazarka wird der künftige Schriftsteller und Politiker  Mahmoud Messaâdi geboren.
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15. Dezember
1920
In der ca. 170.000 Einwohner zählenden Hauptstadt Tunis wird als Sohn eines jüdischen Vaters und einer berberischen Mutter der künftige Romancier und Essayist frz. Sprache Albert Memmi geboren.
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16. Juli
1932
In Sfax wird der künftige tunesisch-kanadische Dichter und Erzähler Hédi André Bouraoui geboren.
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9. Oktober
1934

Im Alter von nur 35 Jahren stirbt Abul Kacem Chebbi.
In einem Hospital in Tunis erliegt Chebbi den Folgen einer Herzmuskelentzündung. Neben dem Schriftsteller Tahar Haddad ist er das enfant terrible der tunesischen Literatur nach dem ersten Weltkrieg.
Im Gegensatz zu seinen drei Brüdern zog Chebbi der zweisprachigen - Arabisch und Frz. - eine reine, klassisch arabische Bildung vor. Im Alter von vierzehn Jahren schreibt er seine ersten Gedichte. Die Bekanntschaft mit dem Verleger As-Snusi, der einen literarischen Zirkel pflegt, ermöglicht ihm die Veröffentlichung einer Anthologie zeitgenössischer tunesischer Lyrik.  


Abul Kacem Chebbi

Im Alter von zwanzig Jahren hält Chebbi eine Aufsehen erregende Konferenz zur "Poetische(n) Imagination in der arabischen Dichtung" ab, in der er provokant formuliert, der arabische Dichter habe in seinem Werk nie echte Gefühle ausgedrückt. Er habe das Erhabene der Natur mit ihrem lebendigen und besinnlichen Gefühl außer Acht gelassen und eher wie "mit zufriedenem Blick auf ein Kleidungsstück oder einen Teppich, fein gewoben und gefärbt" gesehen, nicht mehr.

Chebbis Konferenzbericht wurde in Buchform veröffentlicht: L'imagination poétique chez les Arabes (1929, Die poetische Imagination bei den Arabern) - Vgl. Aboul-Qacem Echebbi in der frz.-sprachigen Wikipedia.

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7. Dezember
1935

Tahar Haddadi
  In seinen Mittdreißigern stirbt der Schriftsteller und Reformer Tahar Haddad.
Er trat insbesondere ab 1930 neben seinem Mitstreiter  Habib Bourguiba für die Rechte der Frauen in seinem Land ein.
 

 

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15. Januar
In Tunis wird der künftige Autor und Regimekritiker Gilbert Naccache geboren.
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5. März
1941

In Tunis wird der spätere Librettist  Alain Boublil geboren.

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10. März
1947
Der spätere Schriftsteller Hubert Haddad wird in Tunis geboren.
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31. März
1948
Im tunesischen Moknine wird der künftige Schriftsteller Rafik Ben Salah geboren.
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6. März
1949

In Jendouba, dem ehemaligen Souk el Arba im Nordwesten Tunesiens, wird der spätere, in arabischer und frz. Sprache schreibende Schriftsteller, Chroniker und Kinderbuchautor Boubaker Ayadi geboren.

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27. Mai
1949

Der 1909 geborene Erzähler und Dramatiker Ali Douagi verstirbt an Tuberkolose in einem Hospital seiner Heimatstadt Tunis.
Er gehörte der intellektuellen Bohème im Café Taht Essour de Bab Souika an. Berühmtheit erlangte er mit seinen satirischen Stücken, u.a.:
Le trésor du pauvre (Der Schatz des Armen, 1935)
Le berger des étoiles (Sternenhirte, 1944)
La mère d'Eve (Evas Mutter, 1959 posthum veröffentlicht)

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1950

Auf der tunesischen Insel Djerba wird die spätere Schriftstellerin Aroussia Nalouti geboren.

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31. Januar
1951
In al-Ala - Stadtteil von Kairouan oder nahe dieser Stadt, die im Maghreb nach Mekka, Medina und Jerusalem als vierte heilige Stadt des Islam gilt - wird der künftige Schriftsteller arabischer Sprache (Mohamed) Habib Selmi geboren.
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21. März
1957
Ein Jahr und einen Tag nach der Unabhängigkeit Tunesiens von Frankreich wird im Gouvernat Mahdia, in dem Ort Ksour Essef, der spätere Lyriker und Schriftsteller  Youssef Rzouga geboren.
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5. April
1963
In Tunis wird der künftige Dichter und Literaturkritiker Chamseddine El Ouni geboren.
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11. April
1975
Der spätere Übersetzer und Schriftsteller Walid Soliman wird in Tunis geboren.
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zeit
los
Afrikanische und arabische Sprüche und Weisheiten:
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3. April
Hungerstreik von Taoufik Ben Brik
Der tunesische Journalist Taoufik Ben Brik beginnt aus Protest gegen eine drohende Haftstrafe von bis zu 6 Jahren wegen "Diffamierung von Staatsorganen" mit einem Hungerstreik im Verlagshaus Aloès. Der Vorwurf gründet auf Veröffentlichungen im Ausland, da Ben Brik seit fast 10 Jahren im eigenen Lande mit einem Schreibverbot belegt ist.
·  (Vgl. Jungle World v. 10.05.2000)
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10. April
2000
Wegen "Störung der öffentlichen Ordnung" wird das tunesische Verlagshaus Aloès geschlossen und versiegelt. Hintergrund ist der vor einer Woche begonnene Hungerstreik des Journalisten Taoufik Ben Brik im Haus.·  (Vgl. Jungle World v. 10.05.2000)
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25. April
2000
  Besuch beim hungerstreikenden Journalisten Ben Brik verweigert
Beim Versuch, den hungerstreikenden tunesischen Journalisten Ben Brik in einer Privatklinik in Tunis zu besuchen, wo dieser sich inzwischen befindet, werden Rechtsanwälte, Freunde und Verwandte - darunter seine Ehefrau - geschlagen, der Zutritt in die Klinik wird ihnen verweigert.
·  (Vgl. amnesty international)
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26. April
2000
Wohnung des Journalisten Ben Brik wird von 300 Polizisten umstellt.
"Französische und Schweizer Journalisten sowie tunesische Aktivisten aus linken und Menschenrechtskreisen" werden gewaltsam von der Polizei am Zutritt zum Domizil des weiter hungerstreikenden Journalisten gehindert, einige geschlagen. Ben Briks Bruder Jellal wird dabei verhaftet. Namhafte Oppositionelle, "darunter die Verlegerin Ben Sédrine", werden anschließend "auf der Polizeiwache schwer misshandelt".
·  (Vgl. Jungle World v. 10.05.2000 u. amnesty international)
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2. Mai
2000
Der Journalist Taoufik Ben Brik erhält seinen Pass zurück.
Dieser war ihm Anfang April abgenommen worden war. Zugleich wird das gegen ihn verhängt Ausreiseverbot aufgehoben, doch der Journalist setzt seinen Hungerstreik fort. Sein in Haft befindlicher Bruder und fünf seiner Geschwister haben sich dem Hungerstreik angeschlossen. "Die Hauptforderungen des Journalisten: die Freilassung seines Bruders, die Bezahlung der Behandlungskosten für die gefolterten Aktivisten durch den tunesischen Staat und die Wiedereröffnung des Verlagshauses Aloès".
·  (Vgl. Jungle World v. 10.05.2000)
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4. Mai
2000
Der Journalist Taoufik Ben Brik reist nach Paris aus.
Er will dort seinen Hungerstreik ohnre Repressalien fortsetzen.
·  (Vgl. Jungle World v. 10.05.2000)
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15. Mai
2000
Nach 42 Tagen stellt der tunesische Journalist Taoufik Ben Brik in Paris seinen Hungerstreik ein.
Auch seine letzte Forderung ist erfüllt worden: Sein zu 3 Monaten Haft ohne Bewährung verurteilter Bruder wird in Tunis freigelassen, nachdem seine Haftstrafe in Berufungsinstanz zu 16 Tagen reduziert wurde, die er bereits abgesessen hat.
·  (Vgl. Jungle World v. 24.05.2000)
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16. Dezember
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chrAbs Im Alter von 93 Jahren stirbt der Politiker und Autor Mahmoud Messaadi.
1975 gründete er das Magazin La vie culturelle. Als Politiker bekleidete er über zehn Jahre - 1958 bis 1968 das Amt des tunesischen Bildungsministers. In diese Zeit fällt, 1960, die Gründung der Universität von Tunis unter seiner Verantwortung. Zu seinen Werken zählen Bücher wie Le Barrage (dt: Der Staudamm, 2007) Maouled en’nessyèn (1974, Die Geburt des Vergessens) oder das sprachwissenschaftliche Werk Thèse sur l’esthétique et la syntaxe dans la langue arabe.

 

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3. Oktober

Uraufführung des Stückes The Pirate Queen in Chicago.
Den Text verfasste der gebürtige Tunesier Alain Boublil, die Musik stammt von Claude-Michel Schönberg. Das berühmteste Werk dieses Gespanns ist das 1980 in Paris uraufgeführte Musical Les Misérables nach Victor Hugo.

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7. Januar

chrAbs Theater in Tunis inszeniert Rilkes Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge
"Das Universum des R. M. Rilke in Arabisch und in Französisch",

heißt es in der Ankündigung des Stücks in der französischspr. tunesischen Tageszeitung La Presse. Das Theater l'Etoile du nord in Tunis feiere zu Beginn des Jahres den deutschen Schriftsteller Rainer Maria Rilke. Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge, ein Werk, das sich auf tatsächlich Erlebtes des Dichters stütze, sei mittels einer Korrespondenz zwischen 1903 und 1910 umgesetzt worden. Sonia Zarag Ayouna habe sich doppelt verdient gemacht, einmal indem sie das Werk in Dialektarabisch übersetzte und zum Anderen indem sie es für das Theater inszenierte. Eine Herausforderung die sie angenommen und bewältigt habe.
Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge rufen das Paris des ausgehenden 19. Jh's wach sowie die Begegnung von Rilke mit Rodin, "der einen großen Einfluss auf den Dichter ausübte durch Themen, die ihm wertvoll waren und die man in seinem gesamten Œuvre wiederfinden wird: der Tod, das Elend und die Angst". Als bezeugender Zuschauer habe Rodin sich das Vertrauen des jungen Rilke verdient, "eine unerlässliche Präsenz, um Rilkes Wort zu übermitteln, sodass es uns erreichen konnte". In der Übersetzung und Inszenierung von Sonia Zarg Ayouna und mit dem Bühnenbild von Noureddine El Ati werde das Stück im Theater l'Etoile du nord aufgeführt, in Dialektarabisch am 8., 9., 10., 22., 23. und 24. Januar und am 15., 16., 17., 29., 30. und 31. Januar in Französisch.
· (LaPresse, Tun, ÜF: J.K.)

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27. April
2010
Taoufik Ben Brik aus Haft entlassen
Der Journalist und Schriftsteller Taoufik Ben Brik wird nach einem halben Jahr aus der Haft entlassen. In der Folge eines Bagatellunfalls habe er eine Frau in der Öffentlichkeit angegriffen, war ihm vom Gericht vorgeworfen worden, das ihn zu einem halben Jahr Gefängnis verurteilte. Das Urteil war vom Appelationsgericht bestätigt worden. Nach Meinung kiritischer Beobachter von Reporters sans frontières sei der Fall aufgebauscht worden, um einen Regimekritiker zu diffamieren.- Vgl. Dominique Lagarde: Taoufik Ben Brik, plume trop libre pour Tunis, in L'express v. 18.11.2009 / Zineb Dryef: Tunisie : Ben Brick a besoin du soutien de Sarkozy, in: Rue89 v. 31.10.2009
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15. Dezember
2010
90. Geburtstag des tunesisch-französischen Soziologen und Schriftstellers frz. Sprache Albert Memmi
Sowohl die soziologischen wie auch die erzählerischen Werke des Sohnes jüdisch-berberischer Eltern sind stark autobiografisch gefärbt.
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Breite Anerkennung, die sich in zahlreichen Übersetzungen widerspiegelt, erfährt er schon mit seinem ersten Roman La Statue de sel (Vorwort: Albert Camus. Paris 1953; dt: Die Salzsäule. Berlin 2002). Darin erzählt der Protagonist Alexandre Mordechai Benillusch seinen Werdegang, der ihn aus den kleinen Verhältnissen der jüdischen Gemeinde in Tunis herausführt. Auf Anraten der Lehrer gestattet sein Vater ihm den Besuch des Gymnasiums, obwohl er seinen Sohn im familiären Handwerksbetrieb gebrauchen könnte. Das anschließende Studium wird durch den 2. Weltkrieg unterbrochen. Auch hier werden - unter deutscher Leitung - Juden in Arbeitslager verbracht. Benillusch meldet sich, in dem Glauben, seine Landsleuten dort irgendwie moralisch unterstützen zu können, freiwillig zu einem solchen Transport, eine Illusion. In dieser Situation kippt der Verlauf des Krieges, den Gefangenen gelingt die Flucht. Nach den Wirren des Krieges sieht er sich einem inneren Zwist ausgesetzt: Weder in seiner nordafrikanischen Heimat fühlt er sich zu Hause noch in Europa.
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Weitere Werke (Auswahl):
Agar, Paris, 1955
Portrait du colonisé, précédé de portrait du colonisateur ** (dt: Der Kolonisator und der Kolonisierte) 1957
Portrait d'un juif (Portrait eines Juden), Paris 1962
La Libération du juif (Die Befreiung des Juden) 1966
Juifs et Arabes (Juden und Araber), Paris 1974
Le Désert, ou la vie et les aventures de Jubaïr Ouali El-Mammi (Die Wüste oder Das Leben und die Abenteuer des Jubaïr Ouali El-Mammi), Paris 1977
Le Mirliton du ciel, Paris 1985
Ce que je crois (Was ich glaube), Paris 1985
Le Pharaon (dt: Der Pharao. Freiburg 1990), Roman. Paris 1988
L'Exercice du bonheur (Das Jahr des Glücks), Paris 1994
Le Racisme. Paris 1994
Le Juif et l'Autre (Der Jude und das Andere). Paris, 1996
Le Buveur et l'Amoureux - le prix de la dépendance (Der Trinker und der Liebhaber - der Preis der Abhängigkeit ). Paris 1998
Le Nomade immobile (Der unbewegliche Nomade), Paris 2000
Térésa et autres femmes (Térésa und andere Frauen), Paris 2004
Portrait du décolonisé arabo-musulman et de quelques autres (Portrait des arabisch-muslemischen und manch anderem Dekolonisierten), Paris 2004***
Le Testament insolent (Das unverschämte Testament), Paris 2009
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17. Dezember
2010
Selbstverbrennung von Mohamed Bouazizi im tunesischen Sidi Bouzid. -
Dieses Ereignis wird in der Folge zum Sturz der tunesischen Führung unter dem 23 Jahre herrschenden Zine el-Abidine Ben Ali führen und letztlich zu den Umwälzungen, die unter dem Begriff Arabischer Frühling zusammengefasst werden werden.
In der Folge werden immer wieder politische Beobachter, Intellektuelle sowie Schriftsteller Bezug auf dieses Ereignis nehmen, so beispielsweise der libysche Romancier
Ibrahim al-Koni, der in einem Interview gefragt, ob ihn der Umbruch in der arabischen Welt zu einem neuen Roman inspiriere, antworten wird:
"Ich bin fasziniert von Mohammed Bouazizi, dem tunesischen Gemüsehändler, dessen Selbstverbrennung am 17. Dezember 2010 in Sidi Bouzid die Revolution in Tunesien auslöste. Seine Tat war der Funke, der den Flächenbrand entzündet und letztlich die ganze arabische Welt verändert hat. Wenn ich über diese Revolutionen, Umwälzungen in der arabischen Welt schreiben werde, dann gehe ich zu den Wurzeln, zu den Anfängen. Literatur geht immer an die Wurzeln." - Vgl. "Herr Bouazizi ist der Christus unserer Zeit", Interview v. Susanne Schanda; in: DER TAGESSPIEGEL v. 1.03.2011.
Auch der marokkanische Schriftsteller
Tahar Ben Jelloun wird sich in seinem Anfang des Jahres 2011 erschienenen Buch Arabischer Frühling in die Situation von Mohamed Bouazizi versetzen.
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14.-18 Januar
2011

In seinem Blog schreibt der 1974 in Al Manafikh geborene Romancier Kamel Riahi unter dem Titel "Eine Nacht in Tunesien":
"Es ist Freitag, der 14. Januar, in der Innenstadt von Tunis. In den Straßen schreien wir 'Nein!' - eine Million Stimmen vereint gegen die 23 Jahre währende Diktatur von Präsident Zine el-Abidine Ben Ali. Tränengas, Kugeln und Tod um uns herum. Wir geraten in einen Hinterhalt an der Barcelona Metrostation, einem der Verkehrsknotenpunkte der Stadt und werden mit Tränengas angegriffen. Ich schütze mich selbst mit einem schwarzen Halstuch, als ich die Avenue Bourgiba hinunterrenne, die die Touristen den tunesischen Champs-Élysées nennen. Dort begegnen wir Knüppeln und Gewehren.
Jeden Atemzug zählend, ducken wir uns vor den Kugeln weg, während wir an mehreren Wohnblöcken vorüberrennen, bis wir auf eine Mauer von Polizeioffizieren in Zivil rennen. Sie befehlen uns schroff in eine nahe gelegene Metrostation, drängen uns in Züge und nehmen Stellung an jedem Ende ...".
(...)
"Am Montag wird uns erzählt, dass eine neue
'Einheits-'Regierung gebildet wurde. Als die Tunesier bemerken, dass einige Mitglieder des alten Regimes für das Kabinett ausgewählt wurden, gibt es eine neue Unruhewelle und die Menschen beginnen zu argwöhnen, dass die Revolution ihnen genommen wurde."
"Am Dienstag gehen die jungen Menschen erneut auf die Straße und verlangen die Auflösung von Ben Alis Partei ... Obwohl ich zustimme, dass es unmöglich sein werde die Partei auzulösen, ohne das Land in Chaos zu versetzen, denke ich, wir haben keine andere Wahl, als es zu versuchen."
"Am Ende des Tages sind mindestens fünf Minister von ihren Posten zurückgetreten und niemand weiß, was als nächstes kommen wird."
(...)
"Was mich angeht, fühle ich ein überwältigendes Glücksgefühl darüber, dass ich nun in der Lage sein werde, frei zu schreiben. Vor anderthalb Jahren wurde einer meiner Romane, der das Leben während der Zeit der Unterdrückung beschreibt, als Theaterstück am hiesigen Kulturcenter aufgeführt. Die daran Beteiligten wurden permanent von der Polizei überwacht; keiner der anwesenden Journalisten veröffentlichte eine Kritik."
Vgl. kamelriahi.maktoobblog.com - , ÜE: J.K.)

- Am 18. Januar wurde der vollständige Beitrag in der New York Times veröffentlicht.
Kamel Riahi Publikationen umfassen zwei Kurzgeschichtensammlungen sowie die beiden Romane Al-Mishrat (Das Skalpell) und Der Gorilla.

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20. Januar
2011
Taoufik Ben Brik meldet Kandidatur für Präsidentschaft an.
Der tunesische Journalist und Schriftsteller Taoufik Ben Brik meldet in dem französischen Wochenblatt Le Nouvel Observateur, das Jahre lang seine regimekritischen Artikel veröffentlichte, seine Absicht an, als Kandidat für das Amt des tunesischen Präsidenten anzutreten.- Vgl. Nouvelle Observateur v. 20.01.2011
Bereits kurz nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis (
→ siehe oben) im vergangenen Jahr hatte Ben Brik bei einem Treffen von Reporters sans frontières in Paris angekündigt, er werde für die Präsidentschaft im Jahre 2014 kandidieren, da Präsident Ben Ali zu diesem Zeitpunkt das laut Verfassung vorgeschriebene Alter für die Kandidatur überschritten haben würde.
Veröffentlichungen:
- Et maintenant, tu vas m'entendre (Und jetzt wirst du mich anhören), Tunis/Paris 2000
- Le rire de la baleine (Das Lachen des Wals). Paris 2000
- Une si douce dictature. Chroniques tunisiennes 1991-2000 (Eine so sanfte Diktatur. Tunesische Chroniken 1991-2000). Paris 2001
- Chronique du mouchard (Die Chronik eines Spitzels). Paris 2001 - Ben Brik Fi El Kasr. Tunis 2001
- Ben Brik président suivi de Ben Avi la momie (Präsident Ben Brik, gefolgt [in der Nachfolge?] von Ben Avi der Mumie). Paris 2003
- The Plagieur. Paris 2004
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28. Januar
2011
100. Geburtstag des in Tazarka geborenen Schriftstellers und Politikers Mahmoud Messaâdi
Messaadi ist 2004 im Alter von 93 Jahren verstorben. 1975 gründete der tunesische Politiker und Autor das Magazin La vie culturelle. Als Politiker bekleidete er u.a. das Amt des Kulturministers. Zu seinen Werken zählen Bücher wie Maouled en’nessyèn (1974, Die Geburt des Vergessens) oder das sprachwissenschaftliche Werk Thèse sur l’esthétique et la syntaxe dans la langue arabe.
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18. November
2011
Am Abend stirbt im Alter von 79 Jahren der Dichter Mohieddine Khraief.
"Die literarische Familie in Trauer", wird die tunesische Tageszeitung La Presse am übernächsten Tag einleitend schreiben und unter dem Titel:
"Der Dichter Mohieddine Khraief ist nicht mehr",
einen Nachruf veröffentlichen, in dem auch kurz auf das Werk des Dichters und Bildungspolitikers eingegangen werden wird.
 mehr dazu ·  (LaPresse, Tun, ÜF: J.K.)
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31. Januar
2016

65. Geburtstag des tunesischen Schriftstellers arabischer Sprache (Mohamed) Habib Selmi
Aufgewachsen in einer Großfamilie bei Kairouan hat er bereits in frühester Jugend Kurzgeschichten verfasst, die in einem lokalen Radioprogramm Beachtung fanden. 1977 erfolgte dann die erste Veröffentlichung eines Buches mit Kurzgeschichten.
Selmis beachtliches erzählerisches Werk umfasst bis hierhin acht Romane und zwei Bände mit Erzählungen und wurde mehrfach ausgezeichnet. So wurden zwei Romane in die Shortlist für den Internationalen Preis für Arabische Literatur aufgenommen, 2009 war dies Rawa’ih Mari Klir (dt: Meine Zeit mit Marie-Claire) und 2012 Nissa'u al-Bassateen (dt: Die Frauen von al-Bassatîn). Übersetzungen ins Französische, Englische und Deutsche bezeugen das internationale Interesse an seinem Werk:

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Bajjas Liebhaber

Der Roman Bajjas Liebhaber erzählt von täglichen Treffen von vier altgewordenen Freunden unter einem Olivenbaum. Sie vertreiben sich die Zeit mit dem Warten auf den Tod und mit dem Erzählen von Neuigkeiten über die von ihnen geliebte Witwe Bajja.
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Die Frauen von al-Bassatîn

Villes du migrateur (Städte der Einwanderer), Erzählungen. Tunis 1977
Femme de quatre heures (Frau für vier Stunden), Erzählungen. Beirut, 1986
Jabal al-’Anz (Der Ziegenberg), Roman. Beirut 1988
Surat Badawi Mayyit (Bild eines toten Beduinen), Roman. Beirut 1990
Matahat al-Raml (Sandlabyrinth), Roman. Beirut 1994

Hufar Dafi’a (Warme Gruben), Roman. Beirut 1999
Ushaq Bayya (dt: Bajjas Liebhaber; Übersetzung: Regina Karachouli. Basel 2006), Roman. Beirut 2002

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Meine Zeit mit Marie-Claire

Asrar ‘Abdallah (Abdallahs Geheimnisse), Roman Beirut 2004
Rawa’ih Mari Klir (dt: Meine Zeit mit Marie-Claire; Übersetzung: Regina Karachouli. Basel 2010), Roman Beirut 2008
Nissa'u al-Bassateen (dt: Die Frauen von al-Bassatîn; Übersetzung: Regina Karachouli. Basel 2013), Roman Beirut 2011.

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10. März
2017
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HUBERT HADDAD
FALASTIN
Der in Tunis geborene Poet, Romancier und Essayist Hubert Abraham Haddad wird 70.
Als Autor ist er unter der Namenskurzform Hubert Haddad bekannt. Seine Eltern sind mit ihm nach Frankreich ausgewandert, als er selbst noch ein Kind war. Haddad schreibt in französischer Sprache. Sein umfangreiches Werk wurde teilweise ins Englische übertragen. Im Deutschen ist 2009 sein von Katja Meintel übersetzter preisgekrönter Roman Falastin (arab. für Palästina) erschienen. Darin erzählt Haddad von einer Liebesgeschichte im israelisch besetzten Westjordanland, die sich zwischen einem entführten israelischen Soldaten und Falastin, einer modernen Antigone, entspinnt.
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21. März
2017
60. Geburtstag des in Ksour Essef geborenen Autors Youssef Rzouga
Zu dem Werk des v.a. als Lyriker bekannt gewordenen Rzouga zählen auch die Romane L'archipel (1986) und Un monde à part (Eine Welt für sich).
Als Lyriker, der sowohl in arabischer als auch in französischer Sprache schreibt, gilt er als Wegbereiter eines "occirientalen Rhythmus", der Einführung der arabischen Metrik in die französische Poesie.
WEITERE WERKE (Auswahl):
Lyrik in arabischer Sprache (Titel hier in frz. Übersetzung):
– Je vous transcende par mes tristesses (Ich durchschreite dich durch meine Traurigkeit). 1978
– L'idiome des branches dissemblables (Das Idiom der unähnlichen Zweige). 1982
– Le programme de la rose (Das Programm der Rose). 1984
– L'astrolabe de Youssef le voyageur ( Das Astrolabium des Reisenden Youssef). 1986
– Le loup dans le verbe (Der Wolf im Verb). 1998
– Le pays d'entre les deux mains (Das Land zwischen den beiden Händen). 2001
– Fleurs de dioxyde de l'histoire (Dioxidblumen der Geschichte). 2001
– Proclamation de l'état d'alerte (Verkündigung des Alarmzustandes). 2002
– Le papillon et la dynamite (Der Schmetterling und das Dynamit). 2004
– Yogana (Le livre du Yoga poétique) (Yogana - Das Buch des poetischen Yoga). 2004
– Rhapsodes d'un troubadour (Rhapsoden eines Troubadours)
– Le Scandale narcissique (Der narzisstische Skandal)

Lyrik in Französisch verfasst:
– Le fils de l'araignée (Der Sohn der Spinne). 2005
– Yotalia. 2005
– 1001 poèmes (1001 Gedichte). 2005
– Le jardin de la France (Der Garten von Frankreich). 2005
– Tôt sur la terre (Früh auf der Erde). 2006
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15. Januar
2019
80. Geburtstag des in Tunis geborenen Autors Gilbert Naccache
Nach dem Studium der Agrarwissenschaften arbeitete Naccache in den 60er Jahren als Agraringenieur im tunesischen Landwirtschaftsministerium. Wegen seiner oppositionellen Haltung dem Regime Bourgiba gegenüber wurde er 1968 zu einer Gefängnisstrafe verurteilt und kam erst 1979 wieder frei. Nach seiner Entlassung arbeitete er als Redakteur in Tunis und wanderte 2004 nach Frankreich aus.
Seinen ersten Roman Cristal schrieb er in Haft auf Packungen der gleichnamigen Zigarettenmarke. Er wurde 1982 in Tunis publiziert.
Weitere Werke:
Le Ciel est par-dessus le toit. Nouvelles, contes et poèmes de prison et d'ailleurs. (Der Himmel ist über dem Dach. Novellen, Erzählungen, Gedichte aus dem Gefängnis und von anderswo) 2005
Qu'as-tu fait de ta jeunesse ?: Itinéraire d'un opposant au régime de Bourguiba (1954-1979) suivi de Récits de prison (Was hast du mit deiner Jugend gemacht? Der Weg eines Oppositionellen des Regimes Bourguiba 1954-1979 und Berichte aus dem Gefängnis) 2009
Vers la démocratie? (Auf dem Weg zur Demokratie?), Tunis 2011
Le Manchot (et autres nouvelles, Der Pinguin und andere Kurzgeschichten) Tunis 2013
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6. März
2019

70. Geburtstag des in französischer und arabischer Sprache schreibenden Schriftstellers, Chronikers und Kinderbuchautors Boubaker Ayadi.
Im Kindesalter, 1958, wird Boubaker vermutlich**** zu Verwandten der Familie nach Tunis verschickt, wo er seine (schulische) Bildung bis 1967 weiterführt. Nach einer technischen Ausbildung verbringt er im Rahmen einer technischen Kooperation 6 Jahre in Libyen. Zurück in Tunesien, beginnt er 1979 erste Texte zu veröffentlichen, womit ihm großer Erfolg beschieden ist. Neben seiner literarischen Arbeit schreibt er Kolumnen und ist generell im medial-literarischen Bereich tätig. 1986 wird er für seine Erzählungen Corridors du temps perdu (Tunis 1986, Korridore der verlorenen Zeit) mit dem nationalen Erzählerpreis (Prix national de la nouvelle) ausgezeichnet.
1988 emigriert Boubaker Ayadi nach Frankreich, um Erziehungswissenschaften zu studieren. Seit dieser Zeit lebt er in der Pariser Umgebung.

Werk (Auswahl):
In arabischer Sprache:
Corridors du temps perdu (Korridore der verlorenen Zeit), Tunis, 1986
Les Maladies mortelles de la littérature (Essay; Die tödlichen Krankheiten der Literatur), Bagdad, 1989
Histoires de la fin de la nuit (Geschichten vom Ende der Nacht), Tunis, 1992
Histoire d'une flamme (Erzählungen, Geschichte einer Flamme), Tunis, 2000
Le Rôdeur nocturne (Roman, Der Nachtwächter), Tunis, 2000
L'Autre rive (Erzählungen, Das andere Ufer), Tunis, 2011
Sentiers de l'errance (Roman, Wanderwege), Tunis, 2001
Le Dernier des sujets (Roman, Das letzte der Sujets), Paris, 2002
L'Homme nu (Roman, Der nackte Mann), Tunis, 2009 (Ausgezeichnet mit dem Prix spécial du jury de la 13e édition des prix littéraires Comar d'or)
Pérégrinations (Erzählungen, Reisereien), Tunis, 2009
L'Ère du sou / de la souillure (Roman, Die Ära des Sou / Von der Verschmutzung), Tunis, 2011

In französischer Sprache:

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cover: Ayadi, Le présage

La Littérature de jeunesse d'expression arabe en Tunisie (Die arabischsprachige Jugendliteratur in Tunesien), Paris, 2002
Le Rêve du sultan (Arab. Erzählungen, Der Traum des Sultans), Paris, 2006
Le Présage (Arab. Erzählungen, Das Omen), Paris, 2007
La Monture du roi Grenouille (Arab. Erzählungen, Die Montur des Froschkönigs), Paris, 2007
Contes et légendes de Tunisie (Erzählungen und Legenden aus Tunesien), Paris, 2008
Asfour le devin (Roman, Asfour der Wahrsager), Paris, 2010
Les Aventures de Jeha, le malin aux mille ruses (Die Abenteuer von Jeha, dem cleveren Trickster), Paris, 2010
Le Roi qui aimait les contes (Erzählungen aus Tunisien, Der König, der Märchen liebte), 3 Bände, Paris, 2010
Une Chanteuse à Médine et autres contes arabes (Eine Sängerin in Medina und andere arabische Erzählungen), Paris, 2012

Erzählungen für Kinder (Auswahl):

Le Menuisier paresseux (Der faule Schreiner), Tunis, 1987
Le Cadeau de l'Aïd (Das Feiertagsgeschenk), Tunis, 1987
La Caravane de Maârouf (Die Karawane von Maârouf), Tunis, 2006
Safouane le devin (Safouane der Wahrsager), Tunis, 2006

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Anmerkungen:
Quellen allgemein, siehe  Chronik-Startseite
* inkl. arabischer Raum
**
Auf Initiative der Zimbabwe International Book Fair wird im Jahre 2002 eine Liste mit  "Africa's 100 best books of the 20th Century" veröffentlicht. Das Werk Portrait du colonisé, précédé de portrait du colonisateur wurde in diesen Kanon aufgenommen. Nach einem Vorschlag von Professor Ali Mazrui wurde in jahrelanger Arbeit auf internationaler Basis eine Liste erstellt. Aus 1521 Titeln wurde eine Shortlist von 500 generiert. Schließlich wurden aus der veröffentlichten Liste im Februar 2002 unter dem Vorsitz des südafrikanischen Autors und Literaturwissenschaftlers Njabulo S. Ndebele die besten 100 Bücher ausgewählt.
*** Das Buch Portrait du décolonisé arabo-musulman et de quelques autres, das nicht ins Deutsche übersetzt wurde, löste in Frankreich breite Diskussionen aus. Dem Autor, der darin den arabisch-muslimischen Einwanderern mangelnde Assimilationsbereitschaft und gar "Gewaltbereitschaft" und das "Verharren in einer selbstverschuldeten Unmündigkeit" vorwirft, wurde von Vielen, die eine positive Sicht für die Migranten vertreten (wie bspw. SOS Racisme ) als Verrat an seinem eigenen, Jahrzehnte lang vertretenen Standpunkt kritisiert.– Pikanterweise wurde Memmi im selben Jahr des Erscheines dieses Werks, 2004, mit dem mit 22.500 € dotierten Grand prix de la Francophonie de l'Académie française für sein Gesamtwerk ausgezeichnet. Es konnte leider nicht eruiert werden, welches der beidenn
Ereignisse den zeitlichen Vorrang hat.
**** Über Kindheit und Bildung des tunesischen Autors Ayadi ist wenig bekannt. Vermutlich wurde er von seinen Eltern zu Verwandten nach Tunis geschickt, wo ihm bessere Bildungsmöglichkeiten offenstanden, jedoch ist lediglich bekannt, dass er 1967 seine Studien (?) beendete. Altersmäßig würde das der gymnasialen Bildung entsprechen.
ÜE: J.K. --> Übersetzung aus dem Englischen: Janko Kozmus ©
ÜF: J.K. --> Übersetzung aus dem Französischen: Janko Kozmus ©

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Quellen

  Sach- und Personenregister