"Was machen unsere
Kinder auf den Straßen?"
Die
promovierte Bildungsspezialistin Aune Victor, die an der Universität
von Stellenbosch in Südafrika lehrt, stellt die rhetorische
Frage in einem Leitartikel, in dem sie sich Gedanken um das
Wohl und Wehe namibischer Kinder macht. Einleitend stellt
sie fest, dass die Jahre vorbei seien, als Dr. Libertina Amathilda
in ihrer Zeit als Ministerin für Gesundheit und anschließend
Kommunalverwaltung und Wohnungsbau mit Zähnen und Klauen
dafür kämpfte, dass keinem namibischen Kind Unterkunft,
Bildung und Gesundheitsdienstleistungen verweigert wurde.
Es schmerze sie, schreibt Aune Victor weiter, wenn sie die
Independence Avenue und Post Street Mall im Zentrum
von Windhoek entlangschlendere und von einer anwachsenden
Zahl von Kindern im Alter zwischen 8 und 16 Jahren begrüßt
werde, die während der Schulzeit um Geld und Essen bettelten.
"Was ist, wenn mein eigener Sohn hier sitzen und für
sein Überleben betteln würde", sinniert sie,
"während sich seine Gefährten für eine
bessere Zukunft vorbereiten würden, um eines Tages verantwortliche
Bürger dieses Landes zu werden. Einige dieser Kinder
sehen so gefährlich und 'ungewaschen' aus, und man fragt
sich, ob sie an diesem Tag schon ein Essen bekommen haben."
Es hinterlasse "so viele Fragen und doch so wenige Antworten:
Woher kommen diese Kinder? Was ist mit den Kinderheimen und
Unterkünften geworden, die Amathilda aufgebaut hat? Was
geschah mit ihrem Vermächtnis? Was geschah mit all den
Strukturen, die sie in den verschiedenen Städten in ganz
→
Namibia
angelegt hat, um sicherzustellen, dass Straßenkinder
von den Straßen ferngehalten werden und die nötige
Unterstützung zur Verfügung gestellt bekommen, die
sie verdienen.Was haben wir falsch gemacht?"
"Was ist mit den Programmen der Stadt Windhoek (und anderen
Städten), um die Kinder von den Straßen fernzuhalten?
Gibt es irgendeine Hoffnung?
Was ist passiert mit dem verfassungsmässigem Recht auf
Bildung? Was machen unsere kirchlichen Organisationen (FBO)
und die Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Einfach zu viele
Fragen.", stellt Aune Victor resigniert fest.
Es sei offensichtlich, dass einige dieser Kinder auf der Straße
nach ihren Eltern suchten, ihren Freunden, ihren Abenteuern,
ihrer Bildung, ihrer Gesundheit und ihrer Liebe.
Für andere seien die Straßen von morgens bis abends
ihre Arbeitsplätze geworden. Dort raubten sie Frauen
und Touristen ihre Wertsachen, vermutet die Leitartiklerin.
Es sei erbärmlich, diese Kinder um Geld und Nahrung betteln
zu sehen.
Artikel 27 über die Rechte des Kindes besage, dass die
"Vertragsstaaten das Recht eines jeden Kindes auf einen
angemessenen Lebensstandard für seine körperliche,
seelische, geistige, sittliche und soziale Entwicklung anerkennt."
Namiba gehöre zu den Unterzeichnern der Konvention der
Rechte des Kindes, stellt Aune Victor fest und fragt: "Führen
wir dieses Übereinkommen durch? Verfolgen wir den Fortschritt?
Was sind die Ergebnisse (falls es überhaupt welche gibt)?"
Die AIDS-Epidemie sowie Armut, elterliche Vernachlässigung
und Missstände hätten unzweifelhaft einen Anstieg
der Zahl der Waisen und Straßenkinder verursacht.
Diese Kinder, die auf der Straße lebten, seien den Naturelementen
und zahlreichen sozialen Missständen wie Drogen, Alkoholmissbrauch
und dem Missbrauch ihrer zivilen und wirtschaftlichen Rechte
ausgesetzt, um nur einige zu nennen.
Ein Mangel an medizinischer Versorgung und unzureichende Lebensbedingungen,
folgert Aune Victor, erhöhe die Anfälligkeit für
chronische Erkrankungen wie Magen-Darm-Erkrankungen, Infektionen
und sexuell übertragbare Krankheiten, einschließlich
HIV-AIDS, Teenager-Schwangerschaften und Abtreibungen.
Die geistige, soziale und emotionale Entwicklung werde durch
ihre ungesunden Lebensweisen beeinflusst. "Wenn wir als
eine Nation prosperieren und unsere Millennium-Entwicklungsziele
(Millennium Development Goals, MDGs) und Vision 2030 erreichen
wollen, müssen wir allen Kindern die gleiche Chance in
Bezug auf Bildung, Sicherheit, Liebe und Fürsorge bieten."
Namibia habe ein Bildungssystem, das auf Versagen basiere;
klagt Aune Victor. es enthalte Hürden, die die Kinder
nehmen müssten, bevor sie weitermachen könnten.
Diejenigen, die es nicht schafften, würden bestraft und
als Versager stigmatisiert. Es sei nicht überraschend,
dass viele von ihnen die Straße bevorzugten; von ihren
Gefährten und Gangmitgliedern würden sie nicht stigmatisiert.
"Wir als Namibier müssen", fordert Aune Victor,
"mehr Aufmerksamkeit auf die Probleme der ansteigenden
Zahl der Straßenkinder richten und Konzepte und Strategien
entwickeln, die ihre Notlage thematisieren".
Die Bildungs- und sozialen Sicherungssysteme erforderten einen
tiefen philosophischen Wechsel vom Versagen hin zu wohlwollendem
Erfolg
"Als kleines Land, mit etwas mehr als 2 Millionen Einwohnern;
mit all unseren Ressourcen, sollten wir keine Straßenkinder
haben, die herumlungern", stellt sich Aune Victor vor.
Zahlreiche Ökonomen, einschließlich derer, die
Einblick haben, hätten gezeigt, dass Namibia reich an
natürlichen Ressourcen ist; deshalb "ist es für
ein so kleines Land (gemessen an der Bevölkerung), das
weniger Einwohner als Soweto (Johannesburg, Südafrika)
unverständlich, warum wir solch eine große Zahl
an Straßenkindern in vielen Städten im ganzen Land
haben."
Sicherlich sollte es eine Direktion oder Vereinigung (unter
dem Ministerium für Gleichstellung der Geschlechter und
Wohlfahrt des Kindes) geben, wenn nicht bereits vorhanden,
um speziell das Thema Straßenkinder zu behandeln.
Die Ministerien für Gleichstellung der Geschlechter und
Kinderwohlfahrt sollten Strategien entwickeln (oder die schon
vorhandenen überprüfen), schlägt Aune Victor
weiter vor, um in Partnerschaften mit den verschiedenen Kommunen
im ganzen Land zu treten, um der Herausforderung des Problems
der Straßenkinder entgegenzutreten.
Die verschiedenen Unterkünfte, die während der Zeit
von Amathilda entwickelt worden seien, sollten (falls sie
noch existierten) überarbeitet werden, um für die
erforderlichen Dienste dieser Kinder zu sorgen. Diese sollten
in der Lage sein, Sicherheit, Gesundheitswesen, Beratung,
Bildung, Berufsausbildung, Prozesskostenhilfe und andere soziale
Dienste für die Kinder in Not, anzubieten.
"Als eine Nation, die stolz auf sich ist", beschließt
Aune Victor ihren aufrüttelnden Appell, "90% gläubige
Christen zu haben, haben wir die Aufgabe unsere bilbische
Verantwortung 'liebe deinen Nächsten' zu erfüllen,
und so sollten wir nicht auf jemanden warten, der von außen
kommt, um uns zu sagen, was wir mit unseren eigenen Straßenkindern
tun sollen, sondern wir sollten jetzt handeln, bevor es zu
spät ist."
· (Namibian,
ÜEK:
R.B./J.K.)
Quelle:
The
Namibian, Tageszeitung (Namibian)
Anmerkungen:
*
inkl. arabischer Raum
ÜEK: J.K. --> Übersetzung
aus dem Englischen: Ruth Bushart, Kommentar: Janko Kozmus
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