Abenteuer
und Politik!
Die
Handlung beginnt mit einem abenteuerlichen Geniestreich, der
den Grabenkrieg Österreichs gegen das wankelmütige
Italien im Jahre 1916 mit einem Schlag zu beenden imstande ist.
In der Folge jedoch gewinnt der Leser mehr und mehr den Eindruck,
dass es sich bei dem Roman Licht am Ende des Tunnels
des Italieners Guido Morselli um ein durch und durch politisches
Buch handelt. In der Mitte des Romans dann die Zäsur.
Der
Autor unterbreitet im Dialog mit seinem fiktiven Verleger künftigen
Rezensenten das Angebot »in diesem Teich zu fischen«.
Der Teich befindet sich in der Form eines Exkurses namens Kritisches
Intermezzo zwischen dem Dritten und Vierten Teil. Morselli
scheint also die Schwierigkeit erahnt zu haben, auf die ein
potentieller Leser - und schon im Vorfeld der Verleger - mit
der Einordnung seiner »Alternativ-Realität«
stoßen könnte. So verwahrt er sich gegen drohende
Etikettierungen wie »Polit fiction« oder »History
fiction«. »Fiction« beziehe sich schließlich
auf Einfälle, die die Zukunft betreffen. Und Zukunftsperspektiven
klammerten zwangsläufig die Menschen aus, bevölkerten
sie mit Gespenstern, mit »ideologischen Schaufensterpuppen«
und »technologischen Robotern«.
Hingegen
gelte es Menschen aufzuspüren, die gelebt haben oder glaubhafterweise
gelebt haben könnten. Dies leiste seine »retrospektive
Hypothese«. Mithin handele es sich um eine Polemik gegenüber
realen Personen und Begebenheiten! Anders ausgedrückt:
Um einen Angriff auf das Historische selbst. Die teilweise absurden
Ereignisse des Ersten Weltkriegs bewiesen zur Genüge das
Fehlen von Rationalität im Realen. In Form von rationalem
Handeln seiner Hauptfiguren führt Morselli dieses Element
in seinen Bericht ein.
Seine »Helden« werden
nicht psychologisch durchleuchtet, auch ein Privatleben, wie
das des Walter von Allmen, wird nur angedeutet. Von Allmen,
Major und Stabsoffizier im K. und k.-Kriegsministerium, entwickelt
die Idee zum Alpentunneldurchbruch. Nachdem es ihm endlich,
nach amüsant beschriebener Überwindung bürokratischer
Hemmnisse gelingt, seine Idee an den richtigen Mann zu bringen,
den Kronprinzen selbst, wird die Leitung und Durchführung
der Operation in berufenere Hände gelegt. Von Allmen akzeptiert
diese Entscheidung und zieht sich alsbald aus dem aktiven Dienst
zurück. Kein gekränkter Rückzug, lediglich ein
Nachgeben gegenüber seiner "literarisch ambitonierten Feder".
Als Kritiker bildender Kunst ist er, selbst auch Maler, am rechten
Platz. Auch andere zentrale Personen, ein gewisser Rommel und
in erster Linie Rathenau, tun genau das Richtige im richtigen
Moment.
Kreative
Individualität und eine Portion glücklichen Zufalls
verhelfen zunächst Österreich zum Sieg im Süden,
und im Westen ist es Deutschland, das siegreich aus dem großen
Konflikt hervorgeht. Erneut setzt sich in der Person von Rathenau
das rationale Element in der Politik durch. Dem besetzten Westen,
Frankreich und Belgien, wird zunächst die schonende dann
die offene Hand entgegengereicht. Im Verbund mit Deutschland
und Italien bildet er im Jahre 1918 die Europäische Gemeinschaft.
Der Revanchegedanke erhält keine Nahrung, ein Österreicher
namens Adolf Hitler lebt seinen obskuren Nationalismus in der
Malerei aus.
Des
Autors Rechtfertigungsversuch, denn um nichts anderes handelt
es sich bei dem Einschub Kritisches Intermezzo, gelingt
nur teilweise. Der Ankündigung zum Trotz, den Ablauf der
Dinge lediglich mit dem rationalen Element zu bereichern, beschleicht
den Leser das ein oder andere Mal das Gefühl, die Dinge
liefen in allzu vernünftigen Bahnen. Ist das wahrscheinlich
oder gar realistisch? Handelt es sich bei diesem Roman um ein
politisches Buch? Keineswegs, es ist Fiktion, aber eine Fiktion,
die zu lesen dem an großer Politik Interessierten viel
Spaß bereitet.
(Originaltitel:
»Contro-passato prossimo«)
8/2002
© by Janko Kozmus |