Die Cairo Times schreibt, Ahmed Taha sei eine
der Persönlichkeiten der literarischen Szene, "über
die am meisten geredet wird, was nicht notwendigerweise eine
gute Sache für ihn ist". Seine Lyrik habe sich über
Jahre entwickelt, vom patriotischen Werk seiner Jugend über
den sozialen Kommentar bis hin zum lebendigen und doch introspektiven
Werk des gegenwärtigen Jahrzehnts. Kürzliche Sammlungen
umfassen Tawela 48 (Tafel 48), 1993 und Embratoriat
El Hawaet (Das Imperium der Mauern) 1994, beide Bücher
sind ins Englische übertragen worden. Es sind seine Streifzüge
in das Schreiben, die den größten Widerspruch hervorgerufen
haben. Taha, ein Soldat während des 73er-Krieges, sei
wahrscheinlich der prominenteste etablierte Dichter, der eng
mit der neuen Generation arbeite, die, als der Krieg mit Israel
beendet war, älter wurde und die ihre Gleichgültigkeit
was Politik und Nationalismus angeht, zur Schau stellte. Seine
Arbeit mit dem Magazin Al Garad (Die Heuschrecken)
provozierte Ausbrüche von Schock und Empörung von
seinen älteren Kollegen, während seine redaktionelle
Arbeit bei →
Al Qahirah
sehr sauer geendet sei. Richard Woffenden sprach mit Ahmed
Taha über die literarische Welt, "in der die Politik
oder deren Abwesenheit oft wichtiger ist als die Lyrik".
Ahmed
Taha war einst ein Marxist und ein Nationalist. Im Alter von
20 Jahren, während der Abnutzungskrieg in vollem Gange
war, habe er sich gemeinsam mit einer Gruppe von Freunden
zur Armee gemeldet. "Ich glaubte an Nasser und all das", sagt
er. Er berichtet, dass sie geglaubt hätten, sie würden
binnen eines Jahres entlassen werden. Aber sie wurden alle
bis nach 1973 einbehalten und Taha sogar bis 1976.
Taha
arbeitete als Fahrer, diente im Sinai während des 73er-Kampfes.
Für eine kurze Zeit, gesteht er, war er gefangen von
Ruhm und Erregung. Seine Lyrik - bis dahin meist romantischer
Jugendstil, abgeleitet nach dem Vorbild von Nizar Qabbani
- begann epische, historische Themen aufzunehmen, sie redete
von dem Aufeinanderprallen der pharaonischen und israelitischen
Armeen der Vergangenheit, veröffentlicht im Armeemagazin
Al Nasr (Der Sieg). Aber bald, so berichtet er, sei
es zu einer niederschmetternden Erfahrung geworden. Menschen
seien links, rechts und im Zentrum gestorben. Vieles seiner
Kriegslyrik habe er später verbrannt.
(...)
Knapp 20 Jahre waren vergangen seit dem Fall des Monarchen
und das Militär sei immer noch "ein großer Klassenkampf
zwischen den Offizieren und den Männern" gewesen. Dinge
verbesserten sich - die körperliche Züchtigung wurde
abgeschafft -, aber die Soldaten hingen immer noch ab von
der Gnade der "Unfähigkeiten der Oberschicht".
Als
ein gebildeter Soldat war Taha für die Offiziersschulung
vorgesehen. Aber als ein Shubra-Kid, ein Junge des großen
bevölkerungsreichen Stadtteils Kairos, und als Trotzkist
- zu jener Zeit, so Taha, sonderte man bei den Streitkräften
potenzielle Subversive nicht wie heute aus -, wusste er, auf
welcher Seite er stand. Jedes Mal, wenn man ihn zum Offizier
machen wollte, schützte er irgend etwas vor. Er erinnert
sich, dass eines Tages ein Offizier eine inspirierte Lektion
an die Truppen gab: "Ihr seid die billigste Sache hier. Sogar
die Zelte sind teurer als ihr." Taha erhob Widerspruch, wofür
er eine Woche Bau bekam.
So
viel zum Nationalismus, heißt es lapidar. Sein Marxismus
habe ein wenig länger überdauert. "Es bedurfte ein
Jahr Kantinenessen mit sowjetischen Militärberatern,
um ihn auf seinen Weg des Apolitischen zu bringen. Er hatte
sich vorgestellt, die UdSSR sei ein Kulturparadies, 'wo ein
jeder las und man umsonst in die Oper gehen konnte. Statt
dessen waren die Sowjets rückständiger als wir'".
Taha
habe sich an seine Kunst gehalten, heißt es in dem Bericht
weiter. Er gab einen halboffiziellen Literaturabend in seiner
Wohnung in Kairo, sogar während er nahe der Front stationiert
war, und "lieh" sich einen Militärtransporter, um hin
und zurück zu kommen. Nach der Demobilisierung habe er
mit der Arbeit für das Magazin Al Kaatib begonnen.
Zu jener Zeit habe er in seinen Versen den sozialen Kommentar
bevorzugt, was nicht daran hinderte, publiziert zu werden.
Er schrieb auch Artikel in den Medien - inklusive einer berüchtigten
Serie über konfessionsbedingte Zusammenstöße
in dem Arbeiterbezirk von Al Zaweya Al Hamra. Er gab auch
Interviews an Auslandsjournalisten zu diesem Thema, "etwas,
das das Interesse des Staates auf sich zog".
1985
fand ein scharfes Durchgreifen gegen Kritiker des Staates,
gegen Linke, Islamisten, wie auch Liberale statt. Taha, obschon
nicht gerade politisch aktiv in jener Zeit, wurde herausgegriffen
wie auch gelegentliche Besucher seines Literaturabends, wie
der Romancier
→
Ibrahim
Abdel-Meguid. Die Autoritäten sagten, dass die Literaturabende
in Wahrheit Treffen für subversive Aktivitäten seien.
Er fand sich selbst für zwei Monate in einer Zelle wieder,
zusammen mit 30 Möchtegern- revolutionären Marxisten,
was, wie Ahmed Taha berichtet, "keine angenehme Erfahrung
war. Sie hatten kein Interesse an Kultur und waren vollkommen
abgeschnitten von der Gesellschaft. Sie waren besessen von
ihren kleinen Geheimzellen."
Ahmed
Taha wurde schließlich per Gerichtsurteil entlassen,
aber seine Bücher und Skripte, die während des Arrests
als Beweismittel konfisziert worden waren, seien nie mehr
herausgegeben worden. "Sie haben alle meine Erinnerungen für
nichts genommen", kommentiert er. Von diesem Verlust demoralisiert
genauso wie von einer neu erworbenen Abscheu für linke
Politik, welche einst seine Arbeit inspiriert hatte, hörte
er zu schreiben auf. Als er erneut anfing, befasste sich seine
Lyrik mehr mit seinen Erfahrungen und seinem persönlichen
Leben als mit der Gesellschaft. Während der bittere Nachgeschmack,
der nach seiner marxistischen Periode verblieb, ab und zu
aufstieß, wurden zwischenmenschliche Beziehungen und
der Mensch selbst zum Thema von Ahmed Tahas Arbeit. Seine
Sammlung Tawela 48 zum Beispiel beinhaltet eine Vielfalt
von Themen, wie seinen Körper, seine Begehren und Wünsche,
und den Tod; er benutze die Sprache der Sufi-Mystiker.
Während
dieser schwierigen Periode habe Taha den surrealistischen
Philosophen Anwar Kamat im Zahrat Al Bustan-Café in
der Innenstadt getroffen; trotz der generellen Kluft und den
unterschiedlichen Philosophien wurden die beiden enge Freunde.
Anwar Kamel war, gemeinsam mit George Henein, ein Führungsmitglied
der ägyptischen Surrealistengruppe in den 1930ern. Taha
selbst würde niemals einen surrealistischen Stil benutzen,
um seine Ideen auszudrücken, aber er habe bemerkt, dass
er einen Mann nicht imitieren musste, um ihn als Inspiration
zu empfinden. "Er war einer jener Denker einer liberalen Zeit,
und wenn ich mit ihm zusammen war, war ich immer in dieser
Zeit, der Zeit vor Nasser", erinnert sich Taha. Die Freundschaft
erlaubte es ihm, die regierungseigenen Verlagshäuser
hinter sich zu lassen, da Anwar Kamel seine, Ahmed Tahas Lyrik
in Form von Flugblättern veröffentlichte. Taha protokolliert
seine Liebe und seinen Respekt in einem Gedichtzyklus, der
"Das letzte Portrait von Anwar Kamel" heißt und 1994
in der Sammlung Embratoriat Al Hawaet (Das Imperium der Mauern)
erschien, vieles davon sei ursprünglich in Kamels Pamphleten
erschienen.
Ungefähr
zur selben Zeit reiste der Ex-Marxist ins Herz des Kapitalismus.
Taha lebte sieben Jahre in den Vereinigten Staaten als Arabisch-Dozent
an der Universität von Chicago. Die Erfahrung habe ihn
verjüngt, obwohl seine emotionale Bindung zu → Ägypten
ihn 1993 zwang zurückzukehren. ... "Ich mag es nicht
sehr, hier zu sein, aber ich kann auch nicht in den USA existieren."
Taha
sah die Vereinigten Staaten kaum als ein Paradies an - er
hatte jede Menge Begegnungen mit ignoranten Kleinstädtern
und fand, dass die Amerikaner im Allgemeinen "wenig Vorstellung
davon haben, was außerhalb ihres Landes vor sich geht".
Jedoch habe er es erfrischend gefunden, Zeit mit Menschen
zu verbringen, die nicht besessen waren von ihrem Glauben
oder ihrer politischen Anschauung, und ihn dementsprechend
in ihre Schubläden packten. "Ich denke, dass die Staaten
eine sehr freie Gesellschaft sind, und sie haben ein hohes
Niveau der Menschenrechte für solche, die Amerikaner
sind. Dass du anerkannt wirst als ein Individuum, und nicht
nur als ein Teil einer Gruppe. Es ist dort nicht vorstellbar,
dass Menschen angeklagt werden, nur weil sie anders sind."
In
den Staaten zu leben, gab ihm die Gelegenheit, eine neue Perspektive
seiner Region und seines Landes zu gewinnen. "Das war wirklich
das erste Mal, dass ich jüdische Menschen und Israelis
traf und einige von ihnen wurden enge Freunde", erwähnt
er stolz, sich im Klaren darüber, welchen Ärger
solcherart Kommentare in manchen literarischen Kollegen hervorriefen.
"Ich hatte meine Vorstellungen bereits durch Bücher geändert,
aber in den USA wurde es durch die Menschen bestätigt."
Tahas Beziehungen zu Israelis schlugen Wogen in diesem Sommer
in den Medien, als er und der Dichter Huda Hussein eine mediterrane
Literaturkonferenz in Lodave in Frankreich besuchten. Sie
zogen es vor, die israelischen Delegierten der Konferenz nicht
zu ignorieren, wie es andere ägyptische Dichter taten,
sondern sich mit ihnen auszutauschen; sie sprachen mit den
Israelis Amir Or und Rony Somek. Dies verursachte, wie vorausgesehen,
"das Zähneknirschen in den Kulturseiten einiger Zeitungen",
aber Taha sagt, dass das Heranwachsen in Shubra ihm ermöglicht
habe, mit Menschen zu reden, welche andere als Todfeinde betrachteten.
"Geboren in Shubra, verbrachte ich meine frühen Jahre
in einer sehr multi-ethnischen Umgebung mit Armeniern, Griechen
und Juden als unsere Nachbarn, so dass ich das Problem mit
Rasse und Religion nicht habe, das die Gesellschaft umtreibt."
Während
seiner Zeit in den Staaten habe Taha sporadisch Ägypten
besucht, aber als er auf lange Sicht zurückkehrte, bemerkte
er, dass die Dichter seiner Generation aufgehört hatten,
sich weiter zu entwickeln und dass sie sich nicht verändern
wollten. "Ich hörte auf an die Hauptrichtung von Ideologie
und Werk innerhalb der ägyptischen Literatur zu glauben,
so wandte ich mich etwas anderem zu", wird Taha von der Cairo
Times zitiert. Dieses Andere sollte in dem Magazin Al
Garad (Die Heuschrecken) entwickelt werden. Das Projekt
beinhaltete, die Förderung von Dichtern und Künstlern,
die Tabus gebrochen hatten, literarische wie sexuelle und,
sagt Taha, "wir werden nicht sehr gut aufgenommen von der
literarischen Elite". So gesellte sich der Außenseiter
einer Generation zur Schar der Renegaten, die Poeten einschließt
wie Huda Hussein, Mohamed Metwalli, Bahaa Awad, Mohamed Lashin
und Maher Sabri. Das Magazin erhielt seinen Namen von der
amerikanischen Literaturdozentin Clarissa Burt (die auch Tahas
Übersetzerin ist), die äußerte, dass "die
Poeten durch ihre Küche walzten wie eine Heuschreckenplage".
Das entsprach Tahas Sinn für Humor und so blieb der Name
hängen, um den ziemlich langweiligen nationalistischen
oder literarischen Titeln zu entfliehen.
Anarchismus
und weite Bandbreite von Stilen im Magazin verursachten eine
Breitseite von Attacken in den Medien, die es als "amerikanisches
Magazin von degeneriertem Inhalt" beschrieben. Aber Taha ist
sicher, dass das größte Problem für die meisten
"Kritiker" das Fehlen von Politik und Nationalismus ist. "Sie
sind dieser Art von Kultur nicht gewachsen, wir haben immer
noch kulturellen Totalitarismus." Auch von seinen Schützlingen
erwarte Ahmed Taha keine ideologische Reinheit. Einige seiner
Heuschrecken-Kinder hätten das Magazin als einen Weg
in die kulturelle Bürokratie benutzt. "Sie sind in dieses
Müll-System geraten. Ich werde darüber manchmal
ein wenig traurig, aber ich kann damit umgehen", sagt er.
"Ich war in der Lage ihre Frische einzufangen, als sie noch
frisch war."
Taha
hatte einen letzten Versuch mit dem "Müll-System" als
er zu Beginn des Jahres angesprochen wurde, Redakteur beim
renommierten staatseigenen Literaturkritikblatt Al Qahirah
zu werden. Er habe den Job nicht gewollt, aber Samir Sarhan,
der Chef der Allgemeinen Ägyptischen Buchorganisation,
welche das Magazin herausbrachte, realisierte, dass Al
Qahirah "gefährlich langweilig" geworden war und
dachte Taha könnte die Dinge beleben. Das tat er. Nach
nur fünf Ausgaben, die Themen wie Feminismus und postkoloniale
Literatur abdeckten, schloss das Magazin. Die Leser errieten
vielleicht, so die Cairo Times, dass nicht alles in
Ordnung war, wenn zwei Leitartikler, einer war Taha, der andere
der stellvertretende Chefredakteur Abdel Rahman Abu Ouf, zwei
radikal unterschiedliche Standpunkte vertraten, Ausgabe für
Ausgabe. Taha beschäftigte sich weiter mit kulturellen
Themen und Abo Ouf attackierte Israel. "Unglücklicherweise
war das Duell um die Seele des Magazins nicht auf das Papier
begrenzt. Gerüchte drangen zu Taha, dass er ein amerikanischer
Spion genannt worden war. Taha antwortete, indem er um Abu
Oufs Schreibtisch schlich und diesen an den Füßen
aufhängte. Die Affäre endete in der Polizeistation".
Seit
damals sei Al Qahirah durch das Ministerium für Kultur
umstrukturiert worden. Mittlerweile habe Ahmed Taha seine
Aufmerksamkeit der vierten Ausgabe von Al Garad zugewandt,
welche im nächsten Monat erscheinen wird. Die Ausgabe
bringt sogar noch jüngere Schriftsteller - in den frühen
Zwanzigern wie Adham Al Safti, die "Shopping Generation",
wie er es ausdrückt. "Vielleicht nicht tiefgründig,
aber sehr aufrichtig mit ihrer Erfahrung und sie wissen um
die Außenseite der Welt", wird Ahmed Taha abschließend
zitiert, Qualifikationen, welche ihm wichtiger seien als Politik,
als Engagement für Nationalismus und als die Bereitschaft
Abtrünnige zu verfolgen. ·
(Cairo
Times, ÜEK:
J.K.)
|