Rezension:
→ Haruki
Murakami - Tanz mit dem Schafsmann
Von
der Phantasmagorie zur Allegorie
Es
ist vom Jenseits die Rede im Tanz mit dem Schafsmann,
dennoch ist dieser Roman von Haruki Maruakami im höchsten
Grade diesseitig orientiert. Weitaus mehr als die Wilde
Schafsjagd. Tanz, tanz, tanz lautet die Botschaft, prosaisch
ausgedrückt heißt dies: Lebe, gib dich nicht Hirngespinsten
hin. Natürlich sind es aber diese Hirngespinste, die den
Murakami-Anhänger interessieren und beschäftigen.
Und er kommt auch hier auf seine Kosten. Doch keine Angst: Haruki Murakami
widersteht der Versuchung, einen platten Fortsetzungsroman zu
schreiben. Tanz mit dem Schafsmann schließt an
die Wilde Schafsjagd an, steht gleichzeitig vollkommen
sicher allein und für sich da. Zwar ist das alte Delfin-Hotel
aus der Wilden Schafsjagd im hypermodernen Dolphin-Hotel
im Tanz mit dem Schafsmann aufgehoben, jedoch steht dieses
Bauwerk, architektonisches Wunder und Monster gleichermaßen,
vollkommen fest auf dem Boden Sapporos.
Der
Held, der in seine Heimat- und Wohnstadt Tokyo zurückgekehrt
war, fühlt sich von dieser Stadt im Norden, von den Schatten
der Vergangenheit - vier Jahre sind inzwischen vergangen - magisch
angezogen. Er folgt dem Ruf schweren Herzens, denn er weiß,
das Hotel Delfin ist nicht nur ein Ort, es ist ein Zustand.
Es ist die Begegnung mit der Vergangenheit, und Gelegenheit,
sich von ihr zu lösen. Dabei helfen ihm reale Menschen:
Schnee und Regen beispielsweise, Yuki und Ame heißen diese
im Japanischen. Erstere ist die 13-jährige Tochter der
Künstlerin Ame, die in einem Grade mit kreativer Kraft
geschlagen ist, dass die erzieherische dabei vollkommen untergeht.
Der Ich-Erzähler erkennt und übernimmt diese Verantwortung,
um sich so dem Sog der Vergangenheit ein wenig zu entziehen,
denn diese droht zu Anfang des Romans als kafkaeskes Gesetz
dem Erzähler wie dem Leser.
Im
Verlauf der Geschichte nimmt die Bedrohung wellenförmig
zu und ab. Mit meisterhafter Fertigkeit erobert Murakami die
ihm eigene Leichtigkeit zurück, ohne jemals oberflächlich
zu werden. Ungeachtet der Tatsache, dass die erzählte Geschichte
stets spannend bleibt, stellt sich dem Leser bei der Lektüre
gelegentlich die Frage, inwieweit dies dem Inhalt oder Murakamis
fabelhafter Erzählkunst zu danken ist. Der letzte Übergang,
den das Ende darstellt, beantwortet diese Frage eindeutig positiv.
(Originaltitel: »Dansu,
Dansu,
Dansu«)
2002
© by Janko Kozmus |