Fatemah Farag, Reporter der englischsprachigen Al Ahram
Weekly, berichtet über ein strittiges Gerichtsurteil
gegen den Romancier Salaheddin Mohsen:
"Angeklagt
und für schuldig befunden, den Islam verhöhnt zu
haben"
Bewusster
Salaheddin Mohsen, schreibt Fatemah Farag, geehrt durch das
Verfassen von mehr als einem Dutzend Büchern, wurde vom
Staatssicherheitsgericht am 7. August "angeklagt und
für schuldig befunden, den Islam verhöhnt und den
Heiligen Koran hinterfragt zu haben". Mohsen macht den Islam
verantwortlich, heißt es weiter, "für die intellektuelle,
ökonomische und moralische Stagnation nicht nur Ägyptens,
sondern der gesamten moslemischen Welt".
Über
den Werdegang des Angeklagten schreibt Farag: Mohsen habe
als Angestellter beim Landwirtschaftsministerium in Kairo
begonnen, sei in den → Libanon
übergesiedelt, wo er als Schriftsetzer gearbeitet habe,
bevor er erneut übersiedelte, diesmal in den →
Irak,
wo er Arbeit als Angestellter fand. Als er nach → Ägypten
zurückkehrte, begann er mit dem Verkauf von Malutensilien.
Den Erlös nutzte er, um sein erstes Buch herauszugeben.
Ihm zufolge, heißt es etwas unmotiviert weiter, erlangten
fortgeschrittene Nationen Erfolg durch wissenschaftliche Forschung
und nicht durch Religion.
Mohsen
kam mit einem vergleichsweise milden Urteil davon - sechs
Monate Gefängnis auf Bewährung, meint der Verfasser
dieses Artikels. Das Gericht wünschte offensichtlich
nicht, ihn in einen ägyptischen Freidenker-Märtyrer
zu verwandeln, in eine Art "Giordano Bruno vom Nil".
Das
Gericht bejahte auch - in seiner Urteilsbegründung -,
so Farag, dass Meinungsfreiheit ein grundlegendes konstitutionelles
Recht sei. Sowohl das Urteil, als auch die Begründung
wurde von bestimmten Intellektuellen als Sieg angesehen, heißt
es weiter. Mohsens Anwalt, Samir El-Bagouri, stimme darin
allerdings nicht überein. Er sagte zu Al-Ahram Weekly,
"die Entscheidung sei in der Tat ein gefährlicher Präzedenzfall".
"Wie kann ein Schuldspruch", wird er von der Wochenzeitung
zitiert, "als positiv für intellektuelle Freiheit angesehen
werden? Zu argumentieren, dass die vom Gericht angeführten
Gründe für das Urteil gut sind, ist irrelevant.
Im Gesetz gibt es nur zwei Alternativen: schuldig oder nicht
schuldig", sagte er.
Die
Gerichtsanhörungen seien am 17. Juni eröffnet und
Bitten der Verteidigung, Zeugen einzubestellen, abgelehnt
worden. "Ich bat, dass Hamdi Zaqzouq, Minister von Al-Awqaf,
einer religiösen Stiftung als Zeuge aufgerufen werden
sollte", wird Mohsens Anwalt, El-Bagouri, zitiert, "ebenso
wie prominente Intellektuelle, wie Samir Sarhan und Salah
Eissa. Der entscheidende Punkt war, dass die strittigen Fragen
philosophischer Art sind und nicht durch Gesetz gerichtet
werden können. Überdies sind diese Argumente nicht
neu und im Verlauf der Geschichte wiederholt geäußert
worden".
El-Bagouri
hatte argumentiert, heißt es in dem Artikel weiter,
dass Spott ein sehr ungenauer Begriff sei, ohne Bedeutung.
"Wird ein Text oder ein Argument als anstößig erachtet,
sollte es entsprechend widerlegt und nicht durch kriminalistische
Untersuchungen und Gesetzsprechung gehandhabt werden. Angenommen,
Mohsen behaupte, dass einige Verse des Korans widersprüchlich
seien und nicht von Gott niedergelegt worden sein könnten.
Möglicherweise sind dies die Zweifel eines Verwirrten.
Warum muss man ihn kriminalisieren?" fragt der ausführlich
zitierte Anwalt Bagouri.
Im
Weiteren lässt der Verfasser traditionell-religiöse
Stimmen kommentierend zu Wort kommen. Zunächst wird Salah
Eissa, der Chefredakteur von Al-Qahira, einer vom Kulturministerium
herausgegebenen Wochenzeitung mit folgender Behauptung zitiert:
"Eine gute Entscheidung ist jene, die die Verfassung sowie
die islamische Scharia schützt. Jedoch", fügt er
hinzu "ist das Urteil in solch vage Worte gefasst, dass es
konsequenterweise nicht als Präzedenzfall verwendet werden
kann".
Ein
weiterer Kommentar stammt vom Chefredakteur von Sawt Al-Azhar
(Stimme von Al-Azhar), Gamal Badawi, der sagt, dass "die einfachste
Sache für jedermann, jeden jungen Idioten, der berühmt
werden möchte, ist, Gott und Religion zu verunglimpfen.
Solche Leute verdienen unserer Beachtung nicht. Jedenfalls
können jene, die Atheisten sein wollen, es sein, und
sie mögen zur Hölle fahren, aber sie haben nicht
das Recht, solche Ideen zu veröffentlichen."
Erneut
wird auf den vorher zitierten Chefredakteur von Al-Qahira
Eissa verwiesen, der zwischen Glaubensfreiheit und Religionsverhöhnung
unterscheide. Ersteres, sagt er, sei ein verfassungsmäßiges
Recht und auch in der Sharia enthalten. Demgemäß
haben die Bürger das Recht, ihre Religion zu wechseln
oder ganz aufzugeben, wenn sie es wünschten. "Aber die
Religion zu verhöhnen, despektierliche und geringschätzige
Begriffe zu benutzen, ist illegal. Atheistische Ideen können
diskutiert werden, aber nur innerhalb eines Rahmens, der Respekt
für die Gefühle von gläubigen Menschen zeigt".
Und
auch der Chefredakteur von Sawt Al-Azhar kommt noch einmal
zu Wort: "In einem Fall wie diesem, muss die Regierung einschreiten.
Sie muss die Rolle eines Führers übernehmen, um
das Gleichgewicht in der Gesellschaft wiederherzustellen."
"Das heutige intellektuelle Klima mag anders als zu Beginn
des 20. Jahrhunderts sein", vermutet Farag, der Reporter
von Al Ahram Weekly und fährt fort: "In den 1920ern
verfasste Ismail Ahmed Adham ein Buch mit dem Titel Warum
ich ein Atheist bin. Es gab auch andere Denker, wie Shibly
Shumayel, Yacoub Sarouf und Salama Moussa, die frei über
Atheismus, die Evolutionstheorie, Marxismus und andere neue
Ideen diskutierten."
Mughith,
ein Forscher des modernen ägyptischen Denkens, berichtet
er weiter, habe geschrieben: "1889 gab es 50 Tageszeitungen,
1909 84 sowie 200 Wochenzeitungen, viele unter diesen diskutierten
offen die Ideen von Denkern wie Herbert Spencer und Hussein
Heikal, beide Befürworter einer vorrangigen Stellung
der Wissenschaft, wie Nietzsche, der offen für Religionskritik
eintrat sowie Voltaire und Jean-Jacques Rousseau, der die
politische Reform und die Demokratie vorantrieb".
"Couragierte,
freidenkende Intellektuelle legten das Fundament für
die Freiheit des Denkens in Ägypten", führt Farag
aus. Ahmed Lutfi El-Sayed beispielsweise sei im Jahre 1908
vehement für die Schaffung einer philosophischen Fakultät
eingetreten, ein Vorschlag, zu dem die Konservativen in Opposition
gingen, da sie glaubten, ein solcher Schritt würde Skeptizismus
und Atheismus fördern.
"Das
sozio-politische Milieu der Zeit war dem liberalen Gedanken
förderlich", so die zitierte Erklärung von Ahmed
Atef, eines unabhängigen Forschers. "Es gab ein Maß
an sozialer Stabilität, der es einer Elite erlaubte,
in engem Kontakt zur intellektuellen Entwicklung in Europa
zu stehen, ihre Ideen auszutauschen. Selbst innerhalb des
religiösen Establishments wurden Rufe nach Reformen laut,
geäußert von Mohamed Abdu und Rifa'a El-Tahtawi."
Selbst
Badawi, der Chefredakteur von Sawt, gibt zu, dass das Ägypten
der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts für
philosophische und religiöse Debatten ein liberaleres
Klima unterhielt als heute. "Heute", wird er zitiert, "sind
die Dinge anders, Ausländer assoziieren den Islam mit
Terrorismus, und die Religion ist eine sehr empfindliche Angelegenheit
im heutigen →
Ägypten geworden.
Das Raunen, das die Veröffentlichung von A Banquet
for Seaweed begleitete ist ein gutes Beispiel dieser Empfindlichkeit"
und erinnert sich dabei, so Farag, der Proteste an der Al-Azhar
Universität gegen den angeblich blasphemischen Roman.
Atef
zufolge, schließt Farag, schuf das Auftauchen einer
einflussreichen Mittelklasse mit einer ländlichen Mentalität
ebenso wie die Politisierung des Islams mit dem Erscheinen
der Muslimischen Bruderschaft ein neues soziales und philosophisches
Milieu. Er zitiert wörtlich: "Möglicherweise in
Reaktion zum liberalen Trend, in dem Religion als etwas Persönliches
betrachtet wurde, entwickelte sich die Idee, dass die Gesellschaft
in religiöse Strukturen eingebettet werden sollte. Das
ist die Auffassung, die sich heutzutage durchgesetzt hat."
Farag
resümiert mit einem letzten Zitat von Badawi, der in
seinem Artikel auf das offene intellektuelle Klima des frühen
20. Jahrhunderts anspielend sagt: "Es war ihnen (den Säkularisten
und Atheisten) erlaubt, ihre Ideen in totaler Freiheit zu
diskutieren, aber worauf lief das alles hinaus? Auf nichts.
Sie alle kehrten zur Religion zurück und die Ägypter
waren unberührt von atheistischer Propaganda."
·
(Al-Ahram,
ÜEK:
J.K.)
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