Rezension:
Michail Bulgakow - Der Meister und Margarita
Ein
Teil von jener Kraft...
Der
Meister und Margarita ist ein vielschichtiger Roman und
ein exzellentes Beispiel der Umsetzung von Komplexität
in schwebend-leichte Sprache. Er erzählt von den Ereignissen
in der von Dämonen befallenen Stadt Moskau. Geschrieben
hat ihn der Arzt und Schriftsteller Michail Bulgakow in den
Jahren 1928 bis zu seinem Tod 1940. Erst 1966/67 wurde er in
der Sowjetunion in zensierter Form herausgegeben. Vollständig
erschien der Text im Westen im Jahre 1973.
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JELENA BULGAKOWA
MARGARITA
UND DER MEISTER.
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Jelena
erzählt von ihrem Leben mit Bulgakow und
von der Stadt Moskau zur Entstehungszeit des großen
Romans. |
Realistische
Elemente wie die Beschreibung des Alltagslebens in Moskau wechseln
sich ab mit phantastischen und metaphysischen sowie mit der
Darstellung biblischer Geschichte. Die nach dem Vorbild bester
russischer Tradition von Gogol bis Tschechow mit Humor durchsetzte
Betrachtungsweise wie auch die Reflexion über die Eigenheiten
der Menschen und über die Kunst bilden den Rahmen für
den äußerst fesselnden Roman.
Die
erste Szene schon lässt die 30er Jahre lebendig erstehen.
Der Teufel Voland stolziert samt Gefolge, dem Kater Behemot,
Fagot, Asaselli und Korowiow sowie der rothaarigen Hexe Hela
in den Straßen Moskaus herum. Er versetzt die Stadt in
Aufregung und stiftet allerorten Unheil. Mit unentrinnbarer
Zwangsläufigkeit entlarvt die Gegenwart der Dämonen
die Absurdität der Wirklichkeit, demaskiert den flachen
Atheismus und stellt menschliche Schwächen auf die Probe,
vor allem das Unvermögen, den Versuchungen des Mammons
zu widerstehen.
Die
als Roman im Roman verankerte Passionsgeschichte besteht aus
drei Kapiteln: dem Verhör, der Kreuzigung und der Ermordung
Judas. Verbunden sind beide Teile durch die Geschichte des Meisters,
des Autors des genialen Pilatusromans über Jeschua Ha-Nocri
- Jesus Christus - und seiner Geliebten Margarita, die zum Sinnbild
wird für die liebende, die begehrenswerte Frau sowie für
den Sinnenrausch schlechthin. Zur Hexe geworden, kann sie sich
der Ekstase beim Ritt auf dem Besen ebensowenig entziehen wie
der Leser.
Margarita
und dem Meister kann das Glück auf dieser Erde nicht zuteil
werden. Um mit ihm vereint sein zu können, sieht sich Margarita
gezwungen, auf das Angebot Volands einzugehen und die Rolle
der Ballkönigin zu übernehmen Sie taucht ein in einen
Reigen von Halunken, Mördern und Sündern unterschiedlichster
Couleur. Nach langer Trennung wird sie dann von Voland mit dem
Meister zusammengeführt, um den gemeinsamen Ritt zur Erlösung
anzutreten. An dessen Ziel trifft der Meister Pontius Pilatus,
den Protagonisten seines Romans und erlöst ihn von ewigen
Leiden.
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Der
Meister und Margarita ist ein Werk, das unterschiedlichste
Interpretationsebenen bietet. Neben der philosophischen, der
religiösen und der ethischen Auslegung, dargestellt im
Kampf des Guten mit dem Bösen oder in der Figur des Pontius
Pilatus, dem Verfolger von Jeschua Ha-Nocri, erschließt
sich dem Leser in der Reflexion über die Unsterblichkeit
des Kunstwerks eine ästhetische, in erster Linie vielleicht
aber eine politische Dimension.
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Der
Meister und Margarita
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Die
Erbitterung eines genialen Mannes, der sich Bürokraten
und Kleingeistern beugen muss und die Wut über die Unterwürfigkeit
der Künstler und Heuchler nehmen groteske Gestalt an. Die
Revanche des Autors gegen die Dummheit und Brutalität des
politischen Systems teilt sich dem Leser als eine erfrischende
Portion Genugtuung sinnlich mit. Der Stör des zweiten Frischegrades,
der im Restaurant für Literaten serviert wird, bleibt ein
Synonym für misslungene Planwirtschaft und die Absurdität
sprachlicher Verschleierung der Realität.
Dagegen
bringt der Autor für die Kleinen, die Lichodiejews und
Warionuchas ein beträchtliches Maß an Verständnis
und Mitgefühl auf. Und er benennt die für ihr Leid
Verantwortlichen, die Bande Volands.
Doch
damit nicht genug. Bulgakow geht weiter, indem er die Grenzen
der Handlung ausdehnt. Die glänzende Satire wird zum Weltroman,
zum Spiel zwischen Gott und Satan um die Erlösung des Menschen.
Michail
Bulgakow präsentiert einen Gentleman-Mephisto, der die
Hörner seiner Widersacher zurechtstutzt, der Gerechtigkeit
zu schaffen versucht, was in dieser Zeit selbst für den
Teufel ein unüberwindbares Hindernis darstellt.
(Originaltitel:
»Master i Margarita«) 08/2002
© by Ewa Bielska
Die dieser Rezension zugrunde liegende Ausgabe von Volk und
Welt ist inzwischen vergriffen. 2012 ist eine hochgelobte
Neuübersetzung von Alexander Nitzberg erschienen:
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Pressestimmen:
"Nitzberg liest den Roman überzeugend als Sprachkunstwerk
der russischen Moderne." NZZ
"Auf hochpoetische Weise neu übersetzt." FAZ
»Alexander Nitzberg […] hat ein „Großstadtpoem“
im Geist der russischen Moderne souverän übersetzt,
das in rein politischen oder nur oder nur religiösen
Lesarten nicht aufgeht. In einem ausführlichen Kommentar
erläutert er auch den des Russischen unkundigen Lesern
seine Strategien, dem Reichtum von Bulgakows Sprachen und
Präzision seiner dichten Beschreibungen von Angst, Gewalt,
Vernichtung im Deutschen zu entsprechen. So hält er das
Spiel der vielen Deutungen offen. Für einen Roman, dessen
Helden schließlich in himmlische Freiheit entschwinden,
ist das die richtige Entscheidung.« Süddeutsche
Zeitung
"Diese
Übersetzung gilt als fulminante Jahrhundertübersetzung."
Ernst A. Grandits, 3sat
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