DIE MARABOUT-SEITE
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Chronik (1901–2020)

Zur Sozial- und Literaturgeschichte Afrikas * von innen und außen 

Jahreschroniken: 1997

Stand: 03.11.11

 

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9. Februar
1997
In Conakry stirbt der Romancier französischer Sprache Williams Sassine.
Der 1944 in Kankan, im Osten  Guineas, geborene Sohn einer moslemischen Mutter und eines christlich-libanesischen Vaters verbrachte nahezu die Hälfte seines Lebens im Exil. Als Chefredakteur der guineischen Zeitung Le Lynx zählte Williams Sassine zu den Kritikern des bis zu seinem Tode im März 1984 diktatorisch regierenden Ahmed Sékou Touré.
Marginalisierte Charaktere - Bettler und Arbeitslose oder ein Albino - prägten Sassines Romane. Le jeune homme de sable (1979) wird zu den 100 besten afrikanischen Büchern des 20. Jahrhunderts gezählt. Keines seiner Bücher wurde ins Deutsche übersetzt. - WERKE (Auswahl):
Saint Monsieur Baly (1973)
Wirriyamu (1976)
L'Alphabête (1982)
Le Zéhéros n'est pas n'importe qui (1985)
L'Afrique en Morceaux (1994)
Mémoire d'une peau (1998)
 
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13. März
1997
"Der nigerianische Literatur-Nobelpreisträger Wole Soyinka und 14 weitere Nigerianer sind wegen Landesverrats angeklagt worden",
meldet die taz aus Lagos. In Abwesenheit von  Soyinka und drei seit kurzer Zeit im Exil lebenden Angeklagten wurde die Anklageschrift verlesen. "Die 15 Nigerianer sind angeklagt, 'Explosionen in verschiedenen Teilen Nigerias' verursacht zu haben mit dem Ziel, die Staatsführung einzuschüchtern." (taz)
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17. März
1997
Mit Etienne Goyémidé stirbt einer der wenigen international bekannten Schriftsteller der Zentralafrikanischen Republik.
Sein Pädagogik- und Englischstudium schloss der 1942 in dem Ort Ippy, Präfektur Quaka, geborene Schriftsteller mit einem Bachelor in Englisch ab. Beruflich betätigte er sich vornehmlich im Bildungsbereich, wurde Gymnasialdirektor und schließlich - in den Jahren 1991 und 1992 - auch Minister für Bildung und Forschung seines Landes.
Neben seinem dramatischen und dichterischen Werk haben vor allem seine - ebenfalls in französischer Sprache verfassten - Prosawerke das Interesse der Leser geweckt.
Der Protagonist seines Debutromans Le silence de la forêt (1984, Das Schweigen des Waldes) lässt eines Tages alles, was seine Existenz bisher ausmachte, hinter sich und macht sich auf der Suche nach dem Sinn des Lebens in den Wald - sprich: in das Lebensumfeld der Babinga-Pygmäen - auf. Die Sicht auf ihre Lebensweise verdrängt zunehmend die Hauptfigur aus dem Mittelpunkt des Romans.
Sein zweiter Roman Le Dernier Survivant de la caravane (1985, Der letzte Überlebende der Karawane) handelt von den im 19. Jahrhundert ins Land eingefallenen Sklavenhändlern. Ein kleines Dorf wird überfallen, die Einwohner als Sklaven verschleppt, viele sterben. Der alte Ngala, Griot und letzter Überlebender der Karawane, erzählt den Dorfkindern die mythische Geschichte.
Weitere Werke (Auswahl):
Au nom de la loi (Im Namen des Gesetzes), Roman, Paris 1989.
La petite leçon (Die kleine Lektion), Drama 1976.
Au pied du Kapokier (Am Fuße des Kapokbaums), Drama, 1978.
Le vertige (Der Schwindel) Drama 1981.
La vengeance noire (Schwarze Rache) Novelle 1984. Responsabilité collective (Kollektive Verantwortung), Drama 1988.
Demain... la liberté (Morgen ... die Freiheit) heaterstück
Quellen:
Francoise Parent Ugochukwu: Goymede, Etienne (1942-1997) in: Africa and the Americas: Culture, Politics, and History, Volume 1 von Richard M. Juang, Santa Barbara, USA 2008
www.lesfrancophonies.com
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April
1997
In Lissabon wird der angolanische Schriftsteller  Pepetela für seinen Roman Gloriosa Familia mit dem wichtigsten - und hochdotierten [aktuell: 100.000 €]- Literaturpreis des portugiesischen Sprachraums ausgezeichnet, dem Prémio Camões.
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23. April
1997
"Welttag des Buches und des Urheberrechts" (seit 1995, als die UNESCO diesen Tag - Todestag von Cervantes und von Shakespeare - dazu erklärte.
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15. Mai
1997

In Damaskus stirbt im Alter von 56 Jahren mit Saadallah Wannous der wohl bekannteste Dramatiker Syriens.
Wannous stammte aus ärmlichen Verhältnissen, er wurde in dem Dorf Husayn al-Bahr bei Tartous geboren. Berühmtheit in der arabischen Welt erlangte er mit Haflat samar min agl hamis haziran (Abendgala für den 5. Juni), seinem ersten Theaterstück in den 60er Jahren - gleichzeitig ein entscheidender Beitrag zur Entstehung des politischen arabischen Theaters -, das unter dem verheerenden Eindruck der arabischen Niederlage gegen Israel im sog. Sechstagekrieg von 1967 entstand.

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8. Juni
1997
Der nigerianische Erzähler Amos Tutuola stirbt in Ibadan.
Als Hauptwerk des 1920 in Abeokuta in ärmlichen Verhältnissen Geborenen gilt der 1952 erschienene Roman The palm-wine drinkard (dt: Der Palmweintrinker).
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15. Juni
1997
"Gefängnis als Schlachthaus verurteilt",
meldet die offizielle Nachrichtenagentur
Mosambiks  AIM.
Maputos Top-Sicherheitsgefängnis (bekannt als das "B.O." abgeleitet von der portug. Abkürzung für "Operationale Brigade") "ist ein Schlachthaus", wird Alice Mabota, die Vorsitzende der Mosambikanischen Liga für Menschenrechte (Liga Mocambicana dos Direitos Humanos, LDH) zitiert. mehr dazu· (AIM, Mosambik, ÜEK: J.K.) 
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2. Juli
1997
"Lassen Sie mich gleich sagen",
zitiert die taz  Wole Soyinka, "Folter der schlimmsten, unvorstellbarsten Art ist in Nigeria eine feste Einrichtung geworden." Soyinka geht auf das Beispiel von Bello Fadile ein, der im Zusammenhang eines angeblichen Putschversuchs verhaftet worden war. Er sei sinnlos gefoltert worden, "bis er zusammenbrach und gegen Obansanjo aussagte". Obansanjo, das ehemalige Staatsoberhaupt, sei, so die taz, in dieser Sache verhaftet worden.
Soyinka fährt in seiner schonungslosen Kritik fort: "Auch Oberst Lawan Gwadabe wurde gefoltert, auf brutale, schmutzige, obszöne Weise. Er wurde an den Füßen aufgehängt, mit Fäkalien überschüttet und bekam Elektroschocks. Dann holte man seine Freundin, die zusehen mußte. Auch sie wurde, so weit ich weiß, kurze Zeit festgehalten.
Wir haben es also mit dem Abschaum der Menschheit zu tun, wenn wir von denen reden, die zur Zeit mit der sogenannten Kunst des Regierens in Nigeria beschäftigt sind. Hauptzweck all dessen ist natürlich, der gesamten Opposition zu zeigen, daß Abacha vor nichts und niemandem haltmacht. Das wollen sie jedem ins Gedächtnis brennen." (taz)
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4. Juli
1997
Die südafrikanische Wochenzeitung Mail & Guardian berichtet über den scheidenden Chefzensor Dr. Braam Coetzee, der daran glaubt, dass die Zensur in Südafrika zu einem Ende kommt ...
mehr dazu · (Mail & Guardian, ÜEK: J.K.) 
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20. Juli
1997
Bole Butake, kamerunischer Dramatiker englischer Sprache, wird 50 Jahre alt.
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26. (27?) Juli
1997
In Damaskus stirbt mit Muhammad Mahdi al-Jawahiri einer der größten arabischen Poeten.
Der um 1900 in der ca. 150 km südlich von Bagdad gelegenen Ortschaft an-Najaf geborene Iraker gilt als der letzte neoklassische Dichter arabischer Sprache. Gleichwohl sind seine Gedichte geprägt von einem kritischen sozialen Blick; zeitlebens prangert der Dichter politische Korruption und soziale Ungerechtigkeit an. Dabei schreckt er nicht davor zurück, oft drastische Metaphern der Gewalt in seine Dichtung aufzunehmen.
Muhammad Mahdi al-Jawahiri wird in eine Familie von Poeten hinein geboren. Neben entfernteren Familienmitgliedern sind zwei seiner Brüder sowie sein Vater Dichter. Sein erster, 1920 veröffentlichter Gedichtband, in dem al-Jawahiri noch die zeitgenössischen Neoklassiker nachahmt, weist ihn gleichzeitig als großen Kenner arabischer Poesie aus. In den 20er Jahren erscheinen seine Gedichte in Zeitungen im Irak und in den arabischen Nachbarstaaten. 1927 beginnt al-Jawahiri eine Tätigkeit als Lehrer, wird aber noch im selben Jahr wegen der Veröffentlichung eines "anstößigen" Gedichts entlassen. Neben anderen Anstellungen steht sogar eine am königlichen Hof, wo er von dem - von Großbritannien eingesetzten - König Faisal gefördert wird. 1930 gibt er auch diese Stellung auf und widmet sich - ca. drei Jahrzehnte lang - journalistischer Tätigkeit. Jedoch haben die Zeitungen, für die er als Herausgeber und/oder Redakteur tätig ist, aufgrund seiner kompromisslosen Kommentare meist nur eine kurze Lebensdauer.
Nach der 58er Revolution wird der mit der Kommunistischen Partei assozierte Dichter Präsident der irakischen Journalistenvereinigung und danach - bis 1963 - Botschafter in der Tschechoslowakei. In den frühen 70er Jahren kehrt er in seine Heimat zurück, geht aber bald darauf nach Syrien ins Exil. - (Vgl. Salih J. Altoma: In memoriam: Muhammad Mahdi al-Jawahiri (1900?-1997), Arab Studies Quarterly 1997, ÜEK: J.K.)
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zeit
los
Arabische und afrikanische Sprüche und Weisheiten:

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1. August
1997
"Der nigerianische Literaturnobelpreisträger Wole Soyinka wird in seinem Heimatland wegen 'Landesverrats' mit Haftbefehl gesucht",
meldet die taz. Soyinka und drei andere führende Vertreter der Exil-Opposition wurden am Mittwoch von der nigerianischen Militärdiktatur zur Fahndung ausgeschrieben. "Der Haftbefehl ist die Grundlage für Auslieferungsanträge." (taz)
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12. September
1997
"Portrait eines Aktivisten",
überschreibt die südafrikanische Wochenzeitung Mail & Guardian ihren Bericht zum 20. Jahrestag des Todes von Steve Bantu Biko, den sein Sohn Nkosinathi Biko mit einm Dokumentarfilm markiert.
Vor zwanzig Jahren, als Biko von der Hand der Sicherheitspolizei in Port Elizabeth starb, war sein Sohn Nkosinathi sechs Jahre alt. Den Moment, als er vom Tod des Vaters erfuhr, werde er nie vergessen, sagt er. "Ich erinnere mich, es von einem Freund meines Vaters gehört zu haben. Wir waren auf dem Weg zur King Williams Town Station, um unsere Mutter abzuholen, und er stürmte mit dieser Nachricht in seiner lärmenden Art über uns her ..."
Der Dokumentarfilm trägt den Titel Beacon of Hope (Leuchtfeuer der Hoffnung), ist 52 Minuten lang und wurde von Nkosinathi Biko und seiner Freundin Nhlanhla Dakile produziert.
(...) · (Mail & Guardian, ÜEK: J.K.) 
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18. September
1997
Im Alter von 94 Jahren stirbt in Antananarivo Joséphine Ramasinoro.
Die vielseitige Künstlerin, die im Jahre 1986 mit dem Nationalorden geehrt wurde, ist zum Zeitpunkt ihres Todes im heimatlichen Madagaskar vollkommen unbekannt. Sechs Jahre später, anlässlich ihres 100. Geburtstages, werden Gedenkveranstaltungen zu Ehren der 1903 in Fianarantsoa geborenen Künstlerin stattfinden, und sie wird in der einheimischen Presse gewürdigt werden:
Sie habe unter den Pseudonymen Violette de Parme und Noro Fine gemalt, komponiert, musiziert und geschrieben, und obwohl sie viele Jahre in Frankreich gelebt habe, sei die Mehrheit ihres Werks, das zukünftig zur Schullektüre gehören sollte, in Madagassisch verfasst. Neben Lyrik und Prosa habe sie auch Theaterstücke geschrieben:
Rahanitriniala
Voagaly (1945),
Itompokolahy Rabetrano
Antson'ny Rà (nach dem gleichnamigen Roman)
- Vgl. Tribune de Madagascar v. 02.12.2003 u. 31.12.2003
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29. September
1997

50. Geburtstag des in Benin City, der Hauptstadt des nigerianischen Bundesstaates Edo geborenen Schriftstellers Festus Iyayi.
Nach dem Studium der Ökonomie in Kiew und in Bradford, wo er promovierte, kehrte Iyayi 1980 in seine Heimatstadt zurück, wo er an der dortigen Edo State University (veraltet: Bendel State U.) bis zum heutigen Tag lehrt und sich in der radikalen Union der Universitätsangestellten (Academic Staff Union of Universities, ASSU) organisiert; 1986 wurde er Vorsitzender der ASSU. Ein Jahr darauf wurde er als Oppositioneller für kurze Zeit inhaftiert.
1986 erschien nach Violence (London 1979) und The Contract (London 1982) mit Heroes (London 1986) Iyayis dritter und vorerst letzter Roman. 1987 wurde Heroes mit dem nationalen Buchpreis der Association of Nigerian Authors (ANA) und 1988 mit dem Commonwealth Writers' Prize ausgezeichnet. 1996, während der Zeit der Militärdiktatur des Sani Abacha, erschien in Lagos die Kurzgeschichtensammlung Awaiting Court Martial (Warten auf's Kriegsgericht).
Iyayis Schreiben ist dem sozialen Realismus verpflichtet und lehnt sich an die marxistische Begrifflichkeit an. Violence** wird gelegentlich als der erste proletarische Roman Nigerias bezeichnet.

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6. Oktober
1997
"32.000 Neustudenten an Universitäten zugelassen",
meldet die Yemen Times. Über 60 % davon wurden an der Universität von Sanaa zugelassen, über 75 % seien männliche Studenten und über 90 % der Einschreibungen seien an staatlichen Universitäten zu verzeichnen. Soweit die Statistik, die die folgende Aussage unterstreicht: "Das verwirrend hohe Niveau der Einschreibungen findet zu einer Zeit statt, in der die Graduierten der Universitäten keine Jobs finden."
· (Yemen Times, ÜEK: J.K.)   
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13. Oktober
1997
Der in Kafanchan geborene nigerianische Schriftsteller Biyi Bandele-Thomas wird 30 Jahre alt.
Schon vor diesem Geburtstag hat das vielseitige Talent zahlreiche Bücher - Theaterstücke, Romane sowie Lyrik - veröffentlicht. In Deutschland bekannt geworden ist der Autor mit seinen beiden Romanen Bozo David Hurensohn und Kerosin Mangos, wovon der letztere als das reifere Werk gilt. 
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27. Oktober
1997
"Steigendes Niveau von Gesetzeslosigkeit und Stammesungehorsam",
überschreibt die englischsprachige Wochenzeitung Yemen Times ihren Artikel über die Bedrohung des Staates durch bewaffnete Stämme.
mehr dazu· (Yemen Times, ÜEK: J.K.).
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24. November
1997
Ahmadou Kourouma, ivorischer Schriftsteller frz. Sprache, wird 70 Jahre alt.
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1. Dezember
1997
Unter dem Titel
"Polizei attackiert Schulmädchen"

berichtet die Yemen Times über das brutale Vorgehen von Sicherheitskräften.
Mit Schüssen in die Luft, Tränengas, Wasserkanonen und Schlagstöcken gingen die Sicherheitskräfte in der vergangenen Woche gegen 12-15 jährige Schulmädchen vor. 27 Schulmädchen mussten hospitalisiert werden.
"Dieses primitive Verhalten von Männern in Uniformen der Sicherheitskräfte der Regierung gegen die Zaid Al-Moshiki Mädchenschule in Taiz ist unakzeptabel", heißt es in dem Artikel der Yemen Times weiter. Das "einzige Verbrechen" der Schulmädchen sei es gewesen, zu ihrer Schulleiterin zu stehen, die sich gegen die Anweisung des unter der Kontrolle von religiösen Eiferern stehenden örtlichen Bildungsverantwortlichen wehrte, die Mädchen sämtlicher Schulen müssten sich verhüllen und den Schleier anlegen. Nachdem sich anfangs die Eltern sowie alle Schulleiter von Taiz gegen diese Anordnung gestemmt hatten, blieben schließlich nur noch die Schülerinnen der o.g. Mädchenschule wie deren Schulleiterin Galeelah Shuga'a übrig.
· (Yemen Times, ÜEK: J.K.) 
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Anmerkungen:
* inkl. arabischer Raum
** Berichtigung v. 28.09.2007: Irrtümlicherweise wurde bis zu diesem Zeitpunkt an dieser Stelle der Roman Heroes genannt. Die Marabout-Seite bittet um Entschuldigung! Vgl. in diesem Zusammenhang die Rezension v. Omolara Ogundipe-Leslie in: Review of African Political Economy Vol. 8 No. 22, Winter 1981.
ÜEK: J.K. --> Aus dem Englischen Übersetzt und kommentiert: Janko Kozmus ©
ÜFK: J.K. --> Aus dem Französischen übersetzt und kommentiert: Janko Kozmus ©

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Quellen:

.. .. Sach- und Personenregister
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