"Achebe
gewinnt globalen Literaturpreis",
überschreibt
Uduma Kalu seinen Bericht für die nigerianische Tageszeitung
The Guardian. Die Rede ist vom Internationalen Man
Booker Preis, der an → Nigerias
"literarische Ikone Prof. → Chinua Achebe"
gegangen ist, wie am gestrigen Morgen bekannt wurde.
Achebe,
der von einer der JurorInnen, der "gefeierten Schriftstellerin
→ Nadine Gordimer",
als "Vater der modernen afrikanischen Literatur"
bezeichnet wurde, sei der zweite Gewinner dieses Preises.
Der
mit ungefähr → NGN
15.000.000 (60.000 brit. Pfund) dotierte Man Booker International
Prize wird alle zwei Jahre - seit 2005, als ihn der albanische
Schriftsteller Ismail Kadaré gewann - für eine literarische
Leistung auf Weltniveau vergeben.
Achebe
habe eine Reihe von Top-Konkurrenten aus dem Feld geschlagen,
eine Liste, die der Autor vollständig aufführt:
→ Doris
Lessing, Ian McEwan und Salman Rushdie aus Großbritannien;
John Banville aus Irland; Philip Roth und Don DeLillo aus
den USA; → Margaret
Atwood, Alice Munro und Michael Ondaatje aus Kanada sowie
der israelische Dissident Amoz Oz.
Die
größte Popularität habe Achebe wahrscheinlich mit
seinem 1958 erschienenen Roman Things Fall Apart (dt:
Okonkwo oder Das Alte stürzt. Stuttgart 1959)
erzielt sowie mit dem Roman Anthills of the Savannah
(1987; Termitenhügel in der Savanne. Ffm 1991),
der 1987 für die Shortlist des Man Booker Prize nominiert
war. Things Fall Apart feiere im nächsten Jahr
sein 50-jähriges Jubiläum.
Die
dreiköpfige Jury, der die Südafrikanerin Gordimer
angehört, ehrte Achebe für "die Begründung des modernen
afrikanischen Romans", der viele Schriftsteller mit seiner
"Beschreibung des Einflusses des Kolonialismus auf die
Kultur und die Zivilisation des Kontinents inspiriert"
habe.
Der
Preis markiere die zweite einem bzw. einer → nigerianischen
SchriftstellerIn zuteil gewordene Ehre innerhalb einer
Woche.
→ Chimamanda
Ngozi Adichie habe am 6. Juni den mit 30.000 brit. Pfund
dotierten Orange Broadband Prize for Fiction für
Half of a Yellow Sun erhalten.
Die
Reaktion Achebes, der eine Professur am Bard College, Annandale,
New York State, inne habe, auf die Nachricht vom Gewinn sei
wie folgt ausgefallen: "Es war vor 50 Jahren, dass ich
mit der Arbeit an meinem ersten Roman Things Fall Apart
begonnen habe**.
Es hat mich erstaunt zu erfahren, dass meine Altersgenossen
auf mein Werk der letzten 50 Jahre blickten und es dieser
bedeutenden Anerkennung für würdig befanden. Ich bedanke
mich dafür."
Relativ
dürftig fällt das Zitat hinsichtlich Adichies Reaktion
aus: "Er ist ein bemerkenswerter Mensch. Der Schriftsteller
und der Mensch. Er ist wie ein Schriftsteller meiner Ansicht
nach sein sollte."
Achebes
eigentliche Überzeugung demonstriert Uduma Kalu, der Verfasser
dieses Artikels, indem er auf dessen jahrelange Weigerung
verweist, seine Romane in Ibo zu übersetzen, welches
er immer noch als eine "bastardisierte Missonarsversion von
authentischen Dorfdialekten" betrachte. Jedoch sei Things
Fall Apart in 50 andere Sprachen übersetzt worden,
mit 10 Mio. verkauften Exemplaren. Das zweite sehr einflussreiche
Werk - "weltweit in Klassenräumen diskutiert"
- sei das Essay An Image of Africa: Racism in Conrad's
Heart of Darkness' (1975; dt: Ein Bild von Afrika.
2002), welches Conrad beschuldige, Afrikaner zu dehumanisieren
und ihren Kontinent als "ein metaphysisches Schlachtfeld"
darzustellen "bar jeglicher erkennbarer Humanität, in welches
der wandernde Europäer auf eigene Gefahr eintrete".
Eines
Tages, schreibt Kalu weiter, sei Achebe gefragt worden, welche
Autoren die afrikanische Geschichte gut erzählt hätten.
Hunderte, habe er geantwortet, "viele eingeschlossen,
von denen wir normalerweise nicht reden und die wir nicht
zur Literatur rechnen" - die Geschichtenerzähler des
Dorfes, die der oralen Tradition angehören, die längst
aktiv waren, bevor die Kolonialisten Feder und Papier einführten.
"Humanität",
so Achebe, "wird immer versuchen eine Geschichte zu erfinden."
Der
Internationale Man Booker Preis sei in der literarischen Welt
einzigartig, heißt es weiter, weil er von Autoren jeglicher
Nationalität gewonnen werden könne, vorausgesetzt
ihr Werk sei in Englisch erhältlich. Ein Autor könne
den Preis nur einmal erhalten. Er unterscheide sich vom herkömmlichen
Man Booker Preis auch dahingehend, dass er für ein Gesamtwerk
vergeben werde.
Die
Jurorin Elaine Showalter habe sich folgendermaßen geäußert:
"Mit Things Fall Apart und seinem anderen belletristischen
Werk, das in Nigeria angesiedelt ist, hat Chinua Achebe den
modernen afrikanischen Roman begründet. Er bereitete
auch den Weg für die Schriftsteller in aller Welt, indem er
nach neuen Worten, neuen Formen für neue Realitäten und
Gesellschaften suchte. Wir ehren sein literarisches Beispiel
und seine Leistungen."
Gordimer
ihrerseits habe sich folgendermaßen geäußert:
"Chinua Achebes frühes Werk machte ihn zum Vater
der modernen afrikanischen Literatur als ein integraler Bestandteil
der Weltliteratur. Er ist ausgezogen zu vollbringen, was einer
seiner Charaktere brillant als die Aufgabe des Schriftstellers
formulierte: ein neu gefundener Ausdruck für die Eroberung
der Komplexität des Lebens. Diese Belletristik ist eine originäre
Synthese des psychologischen Romans, der Joyce'sche Bewusstseinsstrom,
der postmoderne Bruch mit dem linearen Handlungsverlauf und
somit das Herausfallen jeglicher Normen. Eine Freude und eine
Erleuchtung, sie zu lesen."
Das
dritte Jury-Mitglied, Colm Tóibin, sei nicht weniger
überschwänglich in seinem Lob gewesen: "Chinua
Achebe war einer meiner Helden seit ich sein Buch Things
Fall Apart gelesen habe. Dieses Buch bringt es fertig,
einen essentiellen Moment im kolonialen Drama einzufangen;
es dramatisiert folgenschwere Wechsel mit Klarheit, Sympathie
sowie verblüffender Sprachbeherrschung und Leichtigkeit.
Seine anderen Bücher, besonders No Longer At Ease
(1960; dt.: Obi. Ein afrikanischer Roman. Wiesbaden 1963),
arbeiten mit einer Mischung von Stimmen, von der satirischen
bis zur prophetischen". Anthills of The Savannah, wird
Tóibin weiter zitiert, offeriere eine Vielfalt von
Stimmen und Tonfällen, aufbereitet mit dem Geschick und
der Einsicht des Meisters der Romanform.
Darauf
folgen einige der prägnantesten Lebensstationen***,
die den Leser von der frühen Bildung, über den Biafra-Krieg,
als Achebe für die Biafra-Regierung arbeitete, bis hin zu
seinen akademischen Ämtern und Würden führen.
Achebes
Werk, nimmt Kalu seine Huldigung wieder auf, zentriere sich
um afrikanische Politik, "die Beschreibung von Afrika
und Afrikanern im Westen und die Komplexität der präkolonialen
afrikanischen Kultur und Zivilisation genauso wie die Auswirkungen
der Kolonisation auf afrikanische Gesellschaften". Sein
klassischer Roman Things Fall Apart werde zu den großartigsten
Romanen gezählt, die je geschrieben wurden. 10 Mio. Exemplare
seien weltweit verkauft worden und die Übersetzungen
in 50 Sprachen, machten Achebe zum meist übersetzten
afrikanischen Schriftsteller aller Zeiten. Er habe sowohl
über 30 Ehrentitel erhalten als auch zahlreiche Preise
für sein Werk.
2004
habe Achebe aus Protest gegen die Verhältnisse im Lande
den nationalen Titel eines Commander of the Federal Republic
(CFR) abgelehnt. (siehe unten)
"Gelähmt
von der Hüfte abwärts infolge eines Autounfalls im Jahre
1990, ist er verheiratet mit Prof. Christine Chinwe Achebe,
mit welcher er vier Kinder hat."
Uduma
Kalu beschließt seinen zwischen Höhenflug und Pragmatismus
changierenden Bericht vergleichsweise lapidar, mit dem Hinweis
auf 20 von Chinua Achebe verfasste Bücher, dazu gehörten
Romane, Kurzgeschichten, Essays und Gedichtsammlungen.
· (NgrGuardian,
ÜEK:
J.K.)
Quelle:
The
Guardian , englischspr. nigerian. Tageszeitung (NgrGuardian)
Anmerkungen:
*
inkl. arabischer Raum
** Bis dato hat die Literaturwissenschaft
dieses Datum allgemein auf 1955 festgesetzt. Insofern erhebt
sich die Frage, ob diese Äußerung Achebes der Wahrheit
entspricht oder sie mit Unbedacht geschehen ist oder ob der
bis dato geltende Beginn der Niederschrift, 1955, berichtigt
werden muss.
*** Die Daten sind nahezu identisch
mit den wichtigsten Punkten, wie sie auch dem Portrait auf
der Marabout-Seite entnommen werden können. Ausnahme:
1956 habe Achebe bei der BBC "Broadcasting (Rundfunkwesen)
studiert". Diese Angabe, die teilweise im Internet kursiert,
wurde - da sie nicht verifiziert werden kann - von der Marabout-Seite
nicht aufgenommen.
ÜEK: J.K. --> Aus dem Englischen
übersetzt und kommentiert: Janko Kozmus ©
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