Literarisches
Portrait: Alaa al-Aswani
1957
Am
26. Mai wird Alaa in Kairo als Sohn des aus dem Süden stammenden
Anwalts und Schriftstellers Abbas al-Aswani und einer Mutter aus einer
angesehenen Kairoer Familie geboren.
1960er
Schulbildung: Lycee Francais in Kairo.
Im
Alter von elf Jahren schreibt Alaa al-Aswani seinen ersten Text[0].
1970er
Erste Heirat; aus der Ehe geht ein Sohn namens Seif hervor.
1977
stirbt Alaa al-Aswanis Vater.
30 Jahre lang hatte der - auch als Schriftsteller bekannte - Vater
seine Anwaltspraxis in dem später durch den gleichnamigen Roman
seines Sohnes bekannt gewordenen Yacoubian Building in Kairos
Geschäftsviertel. Die Anwaltspraxis wird später von Alaa
al-Aswani zur Zahnarztpraxis umgewandelt.
1980er
Studium der Zahnmedizin: Cairo University.
1985
Beginn eines 3-jährigen Aufenthalts in den USA, eine Zeit
des Studierens - weiterführendes Studium (Master's Program) in
Zahnmedizin an der University of Illinois in Chicago -, des
Reisens und Entdeckens.[1]
1987
Auflösung der ersten Ehe mit einer ehemaligen Mitstudentin.
1989
(90?)
Veröffentlichung
der ersten Geschichtensammlung.[2]
1994
Zweite Heirat; aus der Ehe gehen die beiden Töchter Mae und
Nada hervor.
1998
beginnt Alaa al-Aswani mit der der Arbeit am Roman The Yacoubian
Building.
2002
Imarat
Ya'qoubian[3] (dt:
Der
Jakubijân-Bau, Übersetzung: Hartmut Fähndrich.
Basel 2007; engl: The Yacoubian Building; Übersetzung:
Humphrey Davies. Kairo 2004;Taschenbuchausgabe: New York 2006), Roman.-
Kairo 2002.- Lose verknüpfte Handlungsstränge machen den
Leser mit den unterschiedlichsten Figuren mit Symbolcharakter vor
dem Hintergrund der frühen 90er Jahre und dem Ausbruch des Ersten
Golfkrieges bekannt. Neben dem alternden aristokratischen Schürzenjäger
Zaki Bey Al Dessouki steht
u.a. der jugendliche Taha el Shazlis, dessen innigster Wunsch es ist,
Polizist zu werden. Trotz hervorragender schulischer Leistungen wird
dieser jedoch abgelehnt; verbittert wendet sich der Sohn des Türstehers
des Yacoubian Building islamischen Fundamentalisten zu. Hatim
Rasheed, ein intellektueller Homosexueller, quartiert seinen jugendlichen
Lover in den billigen Wohnungen auf dem Dach des Gebäudes ein,
sodass der jederzeit sein Liebesleben bereichern kann. Eine Wohnung
auf dem Dach können sich irgendwann auch die koptischen Brüder
Abaskharon und Malak leisten, nachdem sie jedes Pfund zur Seite legten,
das sie mit legalen - und illegalen - Mitteln verdienen konnten.
2004
Niran Sadiqa[4]
(dt: Ich wollt', ich würd' Ägypter; aus dem Arabischen
v. Hartmut Fähndrich; Basel 2009), Erzählungen. Kairo 2004.
Alaa
al-Aswani schließt sich der Kefaya (Genug-) Bewegung an[5].
2006
The Yacoubian Building wird für den renommierten und hoch
dotierten IMPAC Dublin Literaturpreis nominiert (Longlist).
Im
November wird Alaa al-Aswanis Roman Der Jakubijān-Bau in Toulon
anlässlich der Fźte du livre du Var mit dem Prix du
Roman du Var ausgezeichnet.
2007
Shikaju : riwayah (dt: Chicago; aus dem Arabischen v.
Hartmut Fähndrich; Basel 2008). Roman. Kairo 2007 - Am histologischen
Institut der Chicagoer Universität treffen sich Studenten und
Dozenten, Amerikaner und Ägypter und ein Ägypter der amerikanischer
sein möchte als die Amerikaner selbst. Er, Professor am bewussten
Institut, steht im Mittelpunkt dieses Romans, der Privates und Politisches
miteinander verknüpft, der arabische und amerikanische Identitäten
aufeinanderprallen lässt.
Ausgezeichnet
mit dem italienischen Literaturpreis Grinzane Cavour für Palazzo
Yacoubian in der Sektion fremdsprachiger Roman für (gemeinsam
mit Philippe Forest für dessen Roman Per tutta la notte).
2008
Ausgezeichnet mit dem Bruno-Kreisky Preis für das politische
Buch 2007[6] für
Der Jakubijân-Bau.
Am
16. Mai wird Alaa al-Aswani mit dem in diesem Jahr erstmals vergebenen
und mit 7.500 € dotierten Coburger Rückert-Preis ausgezeichnet.
2009
Alaa Al-Aswani äußert sich moderat zum Volksentscheid eines
Minarett-Bauverbots in der Schweiz[7].
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IM
LAND ÄGYPTEN.
Am Vorabend der Revolution
|
2011
Misr 'ala dikka al-ihtiyati (dt: Im Land Ägypten. Am
Vorabend der Revolution; Übersetzung: Hartmut Fähndrich.
Frankfurt am Main 2012). Artikel[8].
Kairo 2011
"Wir
Ägypter haben keine Angst mehr"[9],
Interview v. Martin Gehlen mit al-Aswani, in: ZEIT v. 27.01.11
Ausgezeichnet
mit dem kanadischen Blue Metropolis Award for Arabic Literature;
gesponsert wird der Preis von der Abu Dhabi Authority for Culture
und Heritage (Amt für Kultur und Kulturerbe).
2012
Gemeinsam mit dem postum bedachten türkischen Journalisten Hrant
Dink wird Alaa al-Aswani mit dem deutschen Johann-Philipp-Palm-Preis
2012 ausgezeichnet. Mit dem mit insgeamt 20.000 Euro dotierten Preis
wird ein herausragender Einsatz für die Meinungs- und Pressefreiheit
gewürdigt. Aswani wird "als einer der Wegbereiter des Arabischen
Frühlings"[10]
belobigt.
Für
sein Buch La rivoluzione egiziana (Die ägyptische Revoulution)
wird al-Aswani mit dem italienischen Literaturpreis Premio Terzani
ausgezeichnet.
2013
Nadî As-Sayârât (dt: Der
Automobilclub von Kairo; Übersetzung: Hartmut
Fähndrich. Berlin 2015; frz.: Automobile Club d'Egypte;
Übersetzung ins Französische: Gilles Gauthier; Arles 2014),
Roman. Kairo 2013. - Die Handlung des Romans ist gegen Ende der 1940er
Jahre angesiedelt. Der Automobil-Club von Kairo spiegelt als Mikrokosmos
die krassen Gegensätze im Lande wider. Hier geben sich König
Farouk und seine Minister sowie die Reichen des Landes ein Stelldichein,
kontrastiert durch die von einem sadistischen Butler geleitete Dienerschaft.
Zu dieser gehört ein Mitglied einer Familie, die - voller Zuversicht,
der Armut zu entgehen - aus dem oberägyptischen Nubien eingewandert
ist. Es ist die Vor-Nasser-Ära, mit dem entstehenden Nationalgefühl
prallen die Gegensätze aufeinander.
2017
Am 26. Mai wird Alaa al-Awani 60 Jahre alt.
2018
Gomhorreya kaanu (Die Republik als ob[11]),
Roman. Beirut 2018. - Die Handlung mit einem fiktiven Protagonisten
spielt vor dem realen Hintergrund der Proteste in Ägypten zu
Anfang des Jahrzehnts.
2019
Al-Aswani
wird Präsidentenbeleidung vorgeworfen, ihm droht ein Gerichtsverfahren.
Im
März verlautbaren verschiedene Medien, al-Aswani halte sich in
den USA auf, wobei die Meldungen hinsichtlich des Aufenthaltsstatus'
unklar sind: Hält er sich nur zu einer Vortragsreihe dort auf
oder ist sein Aufenthalt dauerhaft?[12]
Alaa al-Aswani hat einen Sohn namens Seif aus erster und zwei Töchter,
Mae und Nada, aus zweiter Ehe. |
|
Ein
Paradies aus Nichts
Anthologie mit Geschichten
v. al-Aswani, Ibrahim al-Koni u.a.
|
0)
In einem Interview erzählt Alaa al-Aswani von der zum Lesen und
Schreiben anregenden Atmosphäre in seinem Elternhaus; überall
standen zu Hause Bücher herum .- Vgl. AlJazeeraEnglish - One
on One, Riz Khan meets best-selling author and commentator, Alaa Al
Aswany, 14.02.09.
1) Neben anderen Erfahrungen erkennt al-Aswani
den großen Einfluss der spanischen Sprache in den USA, sodass
er sich bei seiner Rückkehr entschließt, nach der engl.
u. frz. Sprache, deren Kenntnis er seiner Schulbildung verdankt, auch
die spanische Sprache zu erlernen. - Vgl. Alaa El Aswany v. Abdallah,
in: Egypt Today March 2006 Volume # 27 Issue 03.
2) Widersprüchliche
Angaben in den Quellen: Abdallah schreibt im o. g. Magazin ohne einen
Titel zu nennen, eine erste Kurzgeschichtensammlung von al-Aswani
sei 1990 erschienen, eine kurze und ungenaue Bibliographie des PEN
- American Center gibt The Papers of Essam Abdel Atti, 1989
und The Man Who Got Closer and Saw, 1990 an. Beide Titel tauchen
übrigens in der als neu titulierten Erzählungssammlung Niran
Sadiqa ( →Ich
wollt', ich würd' Ägypter / Friendly Fire) v. 2004 auf.
3) Mit der inzwischen
neunten Auflage ist The Yacoubian Building der best verkaufte
und am heftigsten diskutierte Roman des arabischen Sprachraums, was
nicht mit kommerziellem Erfolg gleichzusetzen ist. Dazu äußert
sich der Autor verschiedentlich. Gegenüber Rory McCarthy, dem
Korrespondenten des brit. Guardian sagt er, was er von HarperCollins
[amerik. Verlag, J.K.] für den Roman erhalten habe, deckte gerade
mal den Bedarf an Kaffee und Zigaretten während der Produktion
des Buches. - Der Roman, der stark an die Pension in Alexandria in
Machfus' Roman Miramar
erinnere (vgl. A house falls apart),
beinhaltet eine schonungslose Kritik der ägyptischen Gesellschaft,
die auch vor Tabuthemen wie Homosexualität u. Korruption nicht
Halt macht, und obwohl Verlag u. Autor auf den fiktiven Hintergrund
verweisen, wird The Yacoubian Building vielfach als Schlüsselroman
bezeichnet. Spätestens seit der spektakulären Verfilmung
fühlen sich die Bewohner des Gebäudes in der berühmten
Taalat Harb Prachtstraße unwohl, da die Figuren die Vorbildcharaktere
erkennen ließen und ihrer Meinung nach wenig schmeichelhaft
gezeichnet seien. In einem Artikel der Al-Ahram, geht der Autor
noch einmal darauf ein, das Gebäude sei lediglich ein "technischer
Kunstgriff". - Vgl. The lodgers' discontent v. Yasmine
Fathi, in Al-Ahram Weekly v. 24-30.03.2005 u. Dentist by
day, top novelist by night v. Rory McCarthy, in: Guardian
v. 27.02.2006.
Eine gleichnamige Verfilmung des Romans The Yacoubian Building
erfolgt 2005 und wird auf der Berlinale 2006 vorgestellt. Wahid Hamed,
ein in →
Ägypten
berühmter Scriptautor, schrieb das Drehbuch und sein Sohn Marwan
Hamed führte Regie.
4) Die hier versammelten
Erzählungen seien von sehr unterschiedlicher Länge, schreibt
die Rezensentin von Al Ahram. Von den 10 Geschichten sei die
über 100 Seiten zählende Erzählung He who Came Close
and Saw (Er, der näher kam und sah) die umfangreichste. Im
Mittelpunkt steht Essam, der Sohn eines begnadeten Cartoonisten. Der
Leser begleitet ihn aufs College und in die eigentümliche familiäre
Atmosphäre. Nach dem Universitätsabschluss landet der Protagonist
in dem bürokratischen Job einer Chemieagentur. "Seine ungewöhnliche
Erziehung und der Einfluss des Zirkels von frustrierten Talenten im
Kreis seines Vaters beginnen sich bald in einer strengen existentiellen
Haltung zu manifestieren." Die Erzählung sei "fast
eine Novelle, eine Art Bildungsroman des vorzeitigen Niedergangs".
Vgl. Resist thyself
5) Eine politische
Gruppierung, die Dutzende von Demonstrationen gegen die ägypt.
Regierung abhält. Einer politischen Partei gehört Alaa al-Aswani
nicht an. Als politischer Publizist, der u.a. für die nasseristische
Zeitung Al Arabi schreibt, legt er Wert auf die Feststellung,
dass es ihm aufgrund eines freundschaftlichen Verhältnisses zu
den Verlegern der verschiedenen Zeitungen möglich sei, unabhängig
zu berichten. - Vgl. Egypt Today.
6) Alaa Al-Aswani
erhält einen der beiden Hauptpreise, der andere geht an Simon
Sebag Montefiore für Der junge Stalin.
7) Am 29.112009 spricht
sich die Mehrheit der Schweizer Bürger in einem Volksentscheid
für ein Bauverbot von Minaretten an islamischen Gotteshäusern
aus. In einem Interview, das von mehreren deutschsprachigen Medien
gebracht wird, antwortet al-Aswani auf die Frage, was die Entscheidung
der Schweizer für ihn bedeute:
"Ich bin nicht überrascht. Ich war erst kürzlich in
der Schweiz zu einer Lesung. Es ist falsch, zu denken, die Hälfte
der dortigen Bürger seien Rassisten. Sie haben vielmehr Angst
vor einer Religion, von der sie praktisch nichts wissen, und die in
den Medien nur noch in Verbindung gebracht wird mit Terrorismus und
Bomben. Zudem wird das Bild des Islams in Europa sehr geprägt
von der wahhabitischen Strömung aus Saudi-Arabien,
die extrem engstirnig und aggressiv ist. Wir übrigen Muslime
haben bei der Aufgabe versagt, das wirkliche Gesicht des Islams zu
vermitteln, seine Toleranz und seine Offenheit."- Vgl. ZEIT ONLINE
v. 30.11.09. Als Autor zeichnet Martin Gehlen.
8) Das
Buch Im Land der Ägypter. Am Vorabend der Revolution enthält
eine Sammlung von Artikeln, die der Kolumnist al-Aswani in den vergangenen
Jahren veröffentlichte und die seine regimekritische Haltung
verdeutlicht. Gamal Nkrumah, der Rezensent der ägyptischen Online-Wochenausgabe
von Al-Ahram schreibt dazu: "Seinen Focus legt er auf die politische
Korruption in einer beunruhigenden Ausmaß. Alarmiert äußert
er Zweifel hinsichtlich der Tauglichkeit von radikal-demokratischen
Reformen in einer überwiegend muslimischen Gesellschaft."-
Vgl. Gamal Nkrumah, Deepest of depths, in Al-Ahram Weekly Online,
Issue No. 1036 v. 2.3.2011
9) Ausgangspunkt
für das Interview ist die Tatsache, dass der Regimekritiker Alaa
al-Aswani am Dienstag, den 25.01.2011, am "Tag des Zorns"
bei den Demonstrationen am Tahrir Square, dem Platz der Befreiung,
mit dabei war. Im Wesentlichen wird von al-Aswani
→
die
historische Dimension der Ereignisse herausgestrichen sowie die
Aussage, die dem Interview als Titel dient, die Ägypter haben
keine Angst mehr, in erster Linie die jungen. Aus westlicher Sicht
wird die eingeschränkte Sicht auf die Ereignisse deutlich. Aus
Mangel an Informationen wird die personelle Alternative zu Mubarak
auf den Friedensnobelpreisträger El Baradei reduziert. Auf die
Frage, ob El Baradei der nächste Präsident Ägyptens
werden könnte, antwortet al-Aswani: "Baradei ist ein sehr
guter politischer Führer, aber längst nicht der einzige.
In Ägypten gibt es tausende exzellenter Leute, die das Land gut
lenken könnten. (...)"
10) Alaa
al-Aswani gilt als Mitbegründer und einer der Wortführer
(manche Quellen sprechen davon, er sei der Wortführer
gewesen) von Kifaya (arab. für "Es reicht"), einem
breiten Bündnis, dem neben Linken und Bürgerlichen, auch
Säkulare und Mitglieder der Muslimbruderschaft angehören.
11)
Zum gewählten Titel des Romans, der sich natürlich auf Ägypten
beziehe, erklärt Aswani, in einer Diktatur sehe alles so aus
'als ob'. Es wirke real, aber es sei Fake."Das fängt bei
den Wahlen an, die der Präsident organisiert, bis hin zum Privatleben
jeder Frau, jedes Mannes in Ägypten oder in jeder anderen Diktatur.
Da lernt man zu zeigen, dass alles okay ist, und zu verbergen, wer
wir wirklich sind." - Vgl. www.deutschlandfunk.de.
12)
In einem Online-Artikel von Deutschlandfunk Kultur heißt es,
Awani halte sich zu einer Vortragsreihe in den USA auf, während
der brit. Guardian verlauten lässt: "He now lives in the
US".- Vgl. The Guardian, Alison Flood: Egyptian dissident writer
Alaa al-Aswany sued by military prosecutors vom 19.03.2019 / Deutschlandfunk
Kultur: Schriftsteller berichtet über Anklage durch Militärgericht.
Cornelia Wegerhoff im Gespräch mit Vladimir Balzer vom 19.03.2019.
Quellen:
Alaa El Aswany v. Abdallah, in: Egypt
Today March 2006 Volume # 27 Issue 03.
A house falls apart v. Amina Elbendary,
in: Al-Ahram Weekly v. 13-19.06.2002
Resist thyself v. Amina Elbendary, in:
Al-Ahram Weekly v. 5-11.08.2004
The lodgers' discontent v. Yasmine Fathi, in Al-Ahram Weekly
v. 24-30.03.2005
Munzinger Archiv
Interview mit dem ägyptischen Autor Alaa al-Aswani: "Ich
schreibe, um die Demokratie zu verteidigen"- qantara.de |