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Die vorliegende Rezension basiert auf der gebundenen Ausgabe
(Zürich 2005)
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Rezension: → Zakes Mda - Die Madonna von Excelsior

Kuhdung, Kirchenmänner und Kosmeen oder
Die Verfehlungen der Mütter

Beginnt ein Roman mit einem Satz wie "Alles entspringt nur den Verfehlungen unserer Mütter", könnte den Leser die Angst befallen, es handele sich um Zeigefinger-Literatur, um ein anklagendes Buch oder gar um eine Abrechnung, in welcher der kollektive, der Wir-Erzähler keine wirkliche Handlung erzählt, sich vielmehr in moralisierenden Theorien verliert. Ganz im Gegenteil, Die Madonna von Excelsior ist ein farbenfroher Roman, der vor Frische und Lebendigkeit, vor Rache- und anderen Gelüsten nur so strotzt. Noch gemächlich, jedoch bunt gibt er sich zu Beginn der meisten Kapitel, wo von einem "dürre(n) Braun des Qokwagrases" die Rede ist, von einem "sienafarbenen Weg", von rotem Blut, "das fließt aus der grünen Tür" und immer wieder von - meist braunen und vollbusigen - Madonnen. Madonnen, die den Landarbeiterinnen und Bediensteten der Umgegend die Gelegenheit bieten, gegen gutes Entgelt Modell zu sitzen, sind neben der Flora das Lieblingsmotiv des Malers, dem der 1948 in der Eastern Cape-Provinz geborene Zakes Mda mit seinen zweiten Roman ein Denkmal setzt, indem er in seinem Text implizit auf die konservierende Funktion der Gemälde hinweist. Der Leser erhält die Gelegenheit, das Entstehen einer Landschaft, einer Szene, das quasi noch frische Bild zu betrachten, bevor sich dieses in die Gedächtnisgalerie einreiht. Noch davor steht jedoch der Kampf der Ablösung der Figuren von ihrer Künstlichkeit, dargestellt in einer Umkehrung, in Popis Wunsch, "vom Rücken ihrer Mutter (zu) springen, in die Leinwand (zu) steigen und sich zu den komisch verzerrten Menschen bei ihrer täglichen Fron (zu) gesellen." Als erahnte die Romanfigur etwas vom Wesen ihrer Herkunft.

Bekannt wurde Zakes Mda in Südafrika in erster Linie als Dramatiker. Er verfasste über dreißig Theaterstücke und schon 1990 wurden The Plays of Zakes Mda in alle elf offiziellen Sprachen seiner Heimat übersetzt. Doch in einem Interview sagt Zakes Mda, Ziel seiner Dramen sei es nicht, politische Parolen hinauszuposaunen, sondern Geschichten zu erzählen und in einem anderen Interview äußert er: "Meine Romane sind immer mit realem Leben angereichert.". Er habe mit seinen Töchtern den katholischen Priester und Maler Frans Claerhout aufgesucht, dessen Blumenthematik - Sonnenblumen und Kosmeen - sich ständig wiederhole. Auf Reisen in der Provinz Free State habe er sich gefühlt, als geriete er geradezu in die Bilder des Malers. Da entwickelte er die Vorstellung, deren Subjekte in einer Geschichte lebendig werden zu lassen.

Die Erzählung beginnt mit Nikis Versuch, sich als Modell zu verdingen. Doch Trinity, der Maler, Priester und Künstler, malt gegenwärtig keine Madonnen, aber er mag das Kind auf Nikis Rücken. Popi, inzwischen fünfundzwanzig Jahre alt, erinnert sich an das fünf-jährige Mädchen, mit den blonden glatten Haaren und der hellen Haut. Mutter und Tochter bilden zusammen mit Popis Bruder jenes Trio, um das herum die Handlung skizziert wird; zunächst sind "die Striche noch einfach und naiv", doch lebendig in den Farben des Gedächtnisses. Schon in dieser ersten Szene erscheinen - sieht man einmal von der Rolle ab, die Popis Bruder spielt - die wichtigsten psychologischen Widersprüche im Roman, die für die politischen des Landes stehen. Einer drückt sich in Nikis essentieller Angst aus, die sich später auf ihre Tochter überträgt, ob jemand - in diesem Fall der weiße Priestermaler - vielleicht an den Eigenschaften ihres Kindes dessen Herkunft erraten könnte.

Popi gehört zu der Gruppe der Neunzehn von Excelsior, jenem Städtchen, das durch den Skandal sexueller Exzesse, in deren Folge Kinder weißer Väter, unter denen sich auch ein Geistlicher befand und schwarzer Mütter, als "Farbige" geboren wurden, traurige Berühmtheit erlangte. Die Motivation der schwarzen Frauen sich bei den vom Autor außerordentlich plastisch beschriebenen "Scheunentollereien" zu beteiligen, bewegen sich irgendwo im diffusen Zwischenbereich von Lust und Liebesdienst aus ökonomischer Not sowie Nötigung. Nikis Beweggründe sind jedoch anderer Natur. Zwar ist sie mit ihrem weißen Liebespartner ebenfalls in der Scheune, doch nehmen die beiden am scheinbar fröhlichen "Bäumchen wechsle dich!"-Spiel nicht teil. Eine Tatsache, die sie jedoch nicht davor bewahrt, wie die anderen angeklagt zu werden, als die ganze Angelegenheit Jahre später vor Gericht gezerrt wird. Verhandelt werden dabei allerdings nicht Fragen wie mögliche Vergewaltigungen oder "Unzucht mit abhängig Beschäftigten", sondern die Schande der "Rassenvermischung". Noch herrscht im Lande das System der Apartheid, der strikten Rassentrennung. Obschon sich für einige der angeklagten Weißen dramatische Folgen aus der offenbar gewordenen Schmach ergeben, gerät das ganze Unternehmen zur - viel beachteten - Farce. Von einigen Frauen werden gar Kompensationszahlungen gefordert, denn: "Welche weiße Frau wird uns denn nach diesem Fall noch anstellen ... Die werden glauben, wir sind hinter ihren Männern her.". Für diesen tragikomischen Roman eine typische Szene, bei der der Betrachter - ob Zuschauer im Gerichtssaal oder Leser des Buches - nicht weiß, ob er lachen oder doch lieber weinen soll.

Die "Scheunentollereien" und die daraus resultierende Gerichtsverhandlung sind ein bedeutender Teil des Romans, bilden gleichwohl gemeinsam nur den Aufhänger für eine Vielzahl eingewobener Geschichten, die den Lebensweg der drei Hauptfiguren holprig pflastern und die Ängste und Freuden ihrer Freunde und Widersacher vielgestaltig beschreiben. Eines der schönsten Bilder im Buch ist das wiederkehrende Motiv des Kuhdungsammelns. Die Mädchen des Ortes machen sich mit einem leeren Sisalsack auf, wandern entlang überall blühender Kosmeen und spähen nach Fladen, die trocken genug sind, um verheizt werden zu können und singen dabei ihre Lieder. Doch gleich der erste so beschriebene Ausflug endet für Niki in einer Katastrophe. Johannes Smits, des weißen Metzgers Begehrlichkeiten gelten nicht dem Kuhdung, sondern der Sammlerin. Doch weder diese tragische Erfahrung noch die Bienenzucht halten Niki von erneutem Kuhdungsammeln ab, während ihre Tochter Popi ihre Lieder weniger auf die Felder als in die Kirchen und auf Begräbnisse trägt, wo sie wegen ihre süßen Stimme äußerst willkommen ist, so dass sie schließlich kein Wochenende vergehen lässt, an dem sie nicht ihrer selbst gewählten und genüsslich verfolgten Pflicht nachkommt.

Niki und ihre Tochter stehen noch für die bekannte "Schwarz-Weiß"-Thematik, mit der Figur von Nikis Sohn Viliki, bringt Zakes Mda jedoch eine neue Perspektive in seinen Roman ein. Vilikis Vater Pule, ein schwarzer Arbeiter, der im Bergwerk seine Gesundheit ruiniert, ständig abwesend ist und nur zum Sterben zur Familie zurückkehrt, hält Viliki vom Komplex seiner Mutter frei. Nach Herzenslust kann er sich in den Befreiungskampf der Schwarzen gegen die Weißen werfen, wobei ihm seine Schwester im realpolitischen Wegteil so lange folgt, bis die bei ihm bald erkennbar werdenden Spuren von Korruption sich verfestigen. Doch bevor es soweit ist, bevor Viliki gar zum Bürgermeister seines Städtchens gewählt wird, steht der Verrat eines - schwarzen - Jugendfreundes, der eine Folter nach sich zieht. Ein Textabschnitt, auf den der Leser durch die bereits angesprochene allgemein vorherrschende, lebendige Leichtigkeit, nicht aber Oberflächlichkeit ausstrahlende Schreibweise, nicht vorbereitet ist. Vielleicht ist es der Schock, der ihm den Gedanken eingibt, der Autor hätte sich und ihm diese Szene - wie auch die am Rande behandelte Aids-Problematik - ersparen sollen. Doch abgesehen von der Tatsache, dass in einem mehrere Jahrzehnte umspannenden und in die Gegenwart hinein ragenden südafrikanischen Roman, dessen Anspruch, sich der sozialen und politischen Gegebenheiten des Landes anzunehmen, weder Aids noch der Kampf innerhalb der Fraktionen der schwarzen Bevölkerung fehlen kann, bildet eine - glücklicherweise kurze - Folterszene doch nur die Kehrseite der Medaille, sozusagen die Ergänzung jener leichten Erzählweise, die sich als herzerfrischende Leselust auf den Leser überträgt.

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Zakes Mda begnügt sich nicht mit einer deftigen, allgemein beliebten Beschreibung einer wahren Begebenheit. Trotz oder gerade wegen der Wiederholung des Anfangssatzes am Schluss des Romans Die Madonna von Excelsior wird dem Leser zweierlei bewusst: Die heitere und lustbetonte Seite des Lebens ist mit Leid und Schmerz zu bezahlen und: Die tragenden Figuren der Handlung haben eine Entwicklung erfahren, ihre Wut und ihre scheinbar nicht endenden Rachegefühle, die für die Kämpfe der verschiedenen südafrikanischen Bevölkerungsteile stehen, haben sie abgelegt: "Alles entspringt nur den Verfehlungen unserer Mütter".

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Zakes Mda, Die Madonna von Excelsior, Unionsverlag, Zürich 2005.

(Originaltitel: The Madonna of Excelsior)

12/2005 © by Janko Kozmus
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